Textadvent #15

Ich habe schon zu viele Freunde gehabt, um nicht zum Schluss zu kommen, dass ich am Ende alleine bin. Community ist nett, Freundschaft etwas besonderes, aber alles hat seine Grenzen. Und der Mensch Angst vorm alleine sein.

Einzelgänger haben es meist einfacher. Ob ich mich dazu entschieden habe oder es einfach geworden bin, weiß ich nicht. Im Kindergarten haben meine Eltern sich noch darum gekümmert, dass immer Kinder herum sind, mit denen ich spielen konnte. Ich habe es dennoch bevorzugt stundenlang alleine zu spielen. Fernsehen war nicht, Computer genausowenig. Dafür hatte ich eine Sandkiste im Garten und eine Werkstatt im Keller. Auch wenn meine Eltern es nicht gerne gesehen haben, wenn ich alleine dort war. Schließlich lagen am Boden rostige Nägel und Schrauben, mein Vater hat sich bereits einen Teil seines Daumen abgeschnitten, als sie das Haus gebaut haben. Ansonsten hatte ich eine größere Sammlung an Spielzeugautos und Lego. Und ich zerlegte elektrische Geräte. Als ich älter wurde durfte ich zweimal pro Woche Universum schauen. Manchmal Pumuckl. Ich bekam sogar dieses tolle Plastikspielzeug, was ich mir zu Weihnachten wünschte. Nach einer Woche verschwand es in irgendeiner Kiste. Auch in der Volksschule war ich noch mit den meisten befreundet. Man wurde zu Geburtstagsfeiern eingeladen und lud selbst ein. Die Gruppenbildung fing an und man verabredete sich zum prügeln hinter der Schule. Am nächsten Geburtstag wurde man dennoch eingeladen. Dann kam das Gymnasium. Die Hormone begannen an meinem Körper herumzuziehen und meinen Kopf einzunebeln. Ich kannte nur ein Person in der Klasse, während sich der Rest zum Großteil aus der Volksschule oder schon seit dem Kindergarten kannte. Ich ging in meinem Dorf in den Kindergarten, im Nachbardorf in die Volksschule und in der dreißig Minuten entfernten Stadt ins Gymnasium. In der Unterstufe war man noch recht offen, man kannte sich ja nicht, doch es bildeten sich schnell wieder Gruppen und dieses mal musste man dazugehören, um nicht rauszufallen. Wenn man jedoch eine dreiviertel Stunde braucht um bei irgendeinem Treffpunkt zu sein, ist es schwer. Wenn man sich dann noch für Videospiele und Computer interessiert noch mehr. Meine Lieblingsfächer waren Chemie und Physik. Das hat gereicht. Zum Glück sind Kinder nicht immer grausam und man verdrängt schnell. Irgendwie habe ich es geschafft ein bisschen dazuzugehören und konnte sogar einige Personen als Freunde bezeichnen. Bei zwei kann ich das noch immer. Ansonsten war die Klasse aber nur eine Community. In der es Streit gab, mit der man aber auch gemeinsame Dinge unternommen hat. Von den anderen Klassen der gleichen Stufe waren wir sowieso abgeschnitten, da wir ein Schulversuch waren, der uns den Spitznamen Bodenkrabbler einbrachte. So gab man sich miteinander ab und lästerte vor allem hinter dem Rücken über die anderen. Sehr vertrauenswürdig, wenn jemand mit dir über die anderen schlecht redet, mit denen er, sind sie dabei, sich besser versteht als mit dir. Ich konnte also hervorragend die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Personen untersuchen, wenn sie alleine waren und als Gruppe. Ich habe mich darauf besonnen mit wenigen Leuten Dinge zu unternehmen und habe mich zugleich mehr mit den Internet beschäftigt, wo ich einige großartige Communitys gekommen bin, die heute alle nicht mehr existieren, auch wenn es die Plattformen selbst noch gibt. Als ich mich gerade so durch die Matura gekämpft habe, bin ich im Sommer recht schnell in die Bundeshauptstadt geflüchtet, wo ich niemanden kannte und von vorne beginnen konnte.

Communitys sind temporäre Strukturen, die kein explizites Ablaufdatum besitzen, aber einen Verlauf der Zusammengehörigkeit haben. Es gibt verschiedene Rollen und wenn man merkt, dass die Leute, die zu einer ähnlichen Zeit, wie man selbst dazugekommen sind, langsam verschwinden und man sich ständig darüber beschwert, dass früher alles besser war und wie sehr sich alles verändert hat, sollte man darüber nachdenken weiter zu ziehen. Ich habe in verschiedenen Gemeinschaften Freunde gefunden, mit denen ich auch heute noch in Kontakt bin, aber ich merke auch, dass es immer schwieriger wird, wenn man im Alltag nicht mehr miteinander zu tun hat. Die zwei wichtigsten Personen existieren vor allem in meinem Kopf. Mit einer habe ich es inzwischen geschafft, dass man sich hin und wieder hört, die andere sehe ich ein paar mal pro Jahr. Ansonsten danke Social Networks. Diese zwei Personen sind die letzten Fixpunkte. Ich weiß nicht, ob ich es je wieder schaffen werde ähnlich für jemanden zu empfinden. Es hat über zehn Jahre gedauert, um dieses Vertrauen und gegenseitige Verständnis aufzubauen. Selbst durch die höhere Informationsdichte persönlicher Inhalte im Web, geht es nicht schneller.

Freunde begleiten uns einen Teil durch das Leben, manche länger. Schon ein Fehler kann das Verhältnis zueinander stören. Für Freunde tut man vieles, aber nicht alles. Egal wie schön dies klingen würde. Es ist ein romantischer Traum, den man träumen, aber nicht leben kann. Der Schritt vom Bekannten zum Freund und zurück ist klein. Zum guten Freund schon größer. Aber auch Bekannte sind nicht schlecht, man kennt sie nur nicht so gut, fühlt sich ihnen manchmal fremd und ist dafür über ihr Verhalten nicht so überrascht, als bei einem Freund, bei dem man sich zumindest einbildet ihn zu kennen. Ich mache auch für Bekannte oft mehr, als für mich von Vorteil ist. Möchte von jedem geliebt werden und bringe mich dadurch in Situationen, die mich zerstören. In denen ich an mir selbst zerbreche.

Ich stelle weder das Konzept Community noch das von Freundschaft in Frage. Sie haben beide ihre Berechtigung, sollten aber nicht so ernst genommen werden, dass das eine von dem einen oder dem anderen, das eigene bedeutet. Wir sollten weitergehen, wenn wir stolpern. Umdrehen, um zu lernen, nicht um zu trauern. Gefühle halten Freundschaften und Communtys aufrecht. Man gehört dazu, man kann vertrauen. Was hinter der jeweiligen Maske passiert weiß man nicht, sollte man auch nicht wissen. Denn man ist nicht nur mit dem dahinter verbunden. Wir halten uns an der Maske fest und wenn diese zerbröselt, fallen wir. Seit auf den Aufprall gefasst oder springt früh genug ab. Es gibt da draußen mehr Menschen, denen es ähnlich geht, als man manchmal annimmt.

Früher war ich nicht stark genug, mich selbst zu fangen, doch ich bin es heute. Es tut gut zu wissen, dass da jemand ist, auf den man zählen kann. Immer.

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