Schnaps und Flügerln

„Bis Montag!“ „Ciao!“

Ich hebe noch einmal kurz meine Hand als, sie in den Bus einsteigen und drehe mich um.

Ein netter Abend. Zuerst mit den anderen Nerds im Stammlokal, einem ehemaligen Werkzeugladen, über Internet und iPhone geplaudert. Dann ins Kino. The Dark Knight. Kein großartiger Film, aber nette Action und ein guter Clown. Danach einmal quer durch die Stadt gegangen, um mit dem Bus wieder zurückzufahren.

Ich schaue auf den Fahrplan. Zwei Uhr fünf. Noch zehn Minuten. Ich rufe meine Mails ab, klicke mich ein wenig durch den Blog. Keine neuen Kommentare. Kopfhörer rein und wegdriften. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist eine Gruppe Jugendlicher, die schon ein wenig zu viel Alkohol intus haben.

Ich war zweimal in meinem Leben wirklich betrunken. Mit dem zweiten Ausrutscher hat meine relativ früh begonnene Karierre als Alkoholiker schon ein Ende bekommen. Es war am zweiten Tag der Musterung. Ich wurde ohne Bescheid weggeschickt, da mir ein ärztliches Attest fehlte. Wir, das heißt ich und ein paar andere Jungs aus dem Dorf, wurden von einem Taxi abgeholt und zu einem Restaurant gebracht. Taxi und Essen wurden uns bezahlt. Die anderen kannte ich noch aus dem Kindergarten. Viel Zeit ist vergangen, doch sie haben sich nur wenig verändert. So hatte ich zumindest das Gefühl. Zum Essen gab es zwei Bier und danach noch eine Runde Schnaps. An der Stelle verabschiedete sich der Jugendbeauftrage und überließ uns unserem Schksal. Die anderen meinten, dass ich noch mit in die Bar gehen soll. Sie witzelten ein herum, dass ich nichts vertragen würde und ich mich nicht so zieren sollte. Nach dem Kindergarten bin ich im Nachbardorf in die Volksschule gegangen und dann in ein Gymnasium in der Stadt, während die anderen Hauptschule und Lehre vorzogen oder vorgezogen bekamen. Mein schwaches Selbstbewusstsein meinte, dass ich ihnen nun etwas beweisen müsste. So gab es eine Runde Schnaps nach der anderen, bis wir auf Flügerln umgestiegen sind. Und wieder Schnaps. Und Flügerl. Und weiter. Langsam verlor ich meine motorischen Fähigkeiten und kurz darauf verabschiedet sich auch meine Aufzeichnung. Sie beginnt wieder auf dem Heimweg. Ich wanke durch die Gassen des Dorfes zu unserem Haus, das etwas außerhalb liegt. Dort angekommen bemerke ich, dass ich meinen Rucksack, in welchem sich der Schlüssel befand vergessen hatte. Also rief ich meine Mutter an, dass sie ihn mir bitte mitbringen solle. Auf die Frage, ob ich etwas getrunken habe, antwortete ich nur mit ein Bisschen und lag auf. Dann wurde mir kalt und ich überlegte, ob ich den altbewährten Weg über den Balkon nehmen sollte. Doch zuerst übergab ich mich im Garten. Dann musste ein Stuhl als Kletterhilfe dienen und über eine kleine Mauer schaffte ich es mich in den Balkon plumpsen zu lassen. Dort stellte ich fest, dass die Türen und Fenster verschlossen waren. Aber da war ich auch schon zu müde, um wieder runterzusteigen. Somit lag ich mich auf den Boden und machte etwas ähnliches wie schlafen. Irgendwann kam dann meine Mutter nachhause und ließ mich hinein. Dann blieb ich erstmal zwei Tage im Bett.

Die Gestalten auf der anderen Seite schienen jedoch routinierter zu sein. Sie gaben eine Flasche herum, welche sicherlich preiswerter war, als in einem Lokal und sie hielten sich aneinader fest, sodass sie nicht zu hart fallen würden. Da sie sich erst gar nirgends hingesetzt haben, konnten sie auch nichts vergessen. Wobei ich letzteres anzweifeln würde. Zwei Mädchen und drei Jungs. Sie haben gerade Ferien. Muss man ausnützen. Und damit man sich später nicht mehr daran erinnert, wird alles sauber mit Alkohol gelöscht. Weil der desinfiziert. Auch Erinnerungen.

Eine Gartenparty. Die Familie, die mit meiner befreundet war und deren Tochter, mit der ich ebenfalls in den Kindergarten gegangen bin. Mein Vater ist früh gegangen, meine Mutter ständig unterwegs, am tanzen und plaudern. Ich ging in den Keller und holte mir ein Bier. Hoch zum DJ, über Musik reden. Erst ist etwa doppelt so alt, wie ich. Und betrunken. Wir lachen und legen Joe Cocker auf. Das geht immer, meint er. Ich nicke und frage mich, welche Musik ich mag und wie wenig ich kenne. Als ein anderer Gast kommt, hole ich mir noch ein Bier. Ich irre etwas umher. Lehne mich an die Wand und beobachte die Menschen. Auf dem Weg zum Buffett nehme ich noch ein Bier mit. Zehn Kästen. Zwei Sorten. Welche weiß ich nicht mehr. Geschmeckt hat es gut. Kartoffelsalat und viele andere Dinge, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Noch ein Bier. Kurz zu meiner Mutter schauen. Als sie die volle Flasche sieht, fragt sie, ob das schon mein zweites Bier ist. Ich nicke. Noch einmal zum Buffett. Dort treffe ich auf die Gastgeberin. Wir reden über dies und das. Was ich denn gerade mache und dass ich öfters kommen solle. Ich erzähle von meinem Leben, der Schule, meinen Träumen und viel zu privaten Dingen. Tage später wird mir meine Mutter erzählen, wie offen ich an diesem Abend auf die Gastgeberin gewirkt habe. Ich werde an den Alkohol denken und meinen, dass ich einen guten Tag hatte. Noch ein Bier, dann setze ich mich hinters Haus. Eine kleine überdachte Bank. Glühwürmchen schwirren umher. Ich erinnere mich, als ich dort früher gespielt habe. Die Tellerschaukel hängt noch immer am Baum. Man kann sich über den Hang hinausschwingen und hat das Gefühl zu fliegen. Eine andere Tochter und zwei Freunde setzen sich zu mir. Es wird gefragt, ob ich ebenfalls noch ein Bier möchte. Ich nicke. Wir reden über Ausbildung und meine Pläne nach Wien zu gehen. Sie laden mich ein, dass ich sie doch einmal besuchen möge. In Innsbruck oder in München. Wir tauschen Nummern aus. Dann gehen wir zu den anderen. Einer spielt Gitarre. Es gibt Ouzo. Nur zwei. Ich merke, dass ich am Limit bin. Wir lachen viel. Als sich die Runde auflöst lege ich mich im Wohnzimmer auf die Couch. Wenig später weckt mich meine Mutter und wir gehen mit den ersten Sonnenstrahlen heim.

Es ist schon zehn nach. Ich schaue noch einmal auf den Plan. Der Bus fährt nur am Wochenende. Das Handy schlägt mir vor mit einem anderem Bus zu fahren, dann umzusteigen und den Rest zu Fuß zu gehen. Dauer eine Stunde. Ich überlege ein Taxi zu nehmen, bin schon müde. Kein Geld mehr. Der nächste Bankomat sagt mir, dass er mir nichts geben könnte. Auch der zweite. Daheim habe ich noch genug. Ich könnte dem Fahrer einen Ausweis da lassen, während ich es hole. Taxis sind sowieso zu teuer. Kurz schaue ich am Handy die Route an und gehe los. Linkin Park. Ich mache lauter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert