Umziehen

Nur ein paar Worte.

Ich kann nicht schlafen. Will nicht schlafen. Mitternacht ist längst vorbeigezogen. Verweilt ein paar tausend Kilometer weiter östlich, mitten im atlantischen Ozean, während ich im Bett liege. Am Boden liege, unter mir nur eine Matratze. Rund um mich meine Einrichtung. Auseinandergeschraubt und kompakt verstaut.

Die Stadt feiert. Ãœberall sind Buden aufgebaut. Ein kleiner Eiffelturm und mehrere Bühnen. Wir sprechen französisch, lachen. Du meinst ich sollte Karaoke singen. Ich schüttle beschwichtigend den Kopf. Das würdest du nicht wollen. Mir wäre es ja egal, aber es ist deine Stadt. Dich werden die Leute wiedererkennen, nicht mich. Du kaufst Gewürze, ich riche an den verschiedenen Päckchen. Bei manchen verziehe ich die Nase und lege es schnell wieder weg. Du ziehst eine Schnute. Schnell gebe ich dir einen Kuss. An mir soll es nicht liegen. Du kannst mir nicht lange böse sein. Eigentlich kannst du gar nicht böse sein. Weiter geht es zum Vergnügungspark. Vorbei an all den Attraktionen. Du erzählst mir von der Wahrsagerin, zu der du seit Jahren gehen willst, dich aber nicht traust. Dann kommen wir zu einem Mäusezirkus. Du führst mir vor, wie der Dompteur die kleinen Tierchen mit einer Minipeitsche dirigiert. Peng macht das. Dann sind wir schon wieder beim Bahnhof. Der Zug fährt in acht Minuten.

Mein Rücken schmerzt. Das Bett ist kein optimaler Ort, um zu schreiben. Vor allem nicht, wenn man keine Wand hat, um sich anzulehnen. Kurz der Gedanke aufzustehen, sich an den Schreibtisch setzen. Zu warm die Decke, zu kalt das Zimmer. Setze mich auf, schreibe im Schneidersitz weiter. Der Laptop klickt wie eine Schreibmaschiene und die orangen Buchstaben tauchen auf dem Bildschirm auf. Manchmal werden ein paar gelöscht. Gerade wieder. Eine unpassende Formulierung, ein Rechtschreibfehler. Wörterbuchfunktion gibt es nicht. Will ich nicht. Später, vor dem veröffentlichen, wird der Browser mir die auffälligen Fehler zeigen. Jetzt würden sie mich nur ablenken.

Vor vielen, vielen Jahren stand dort eine Glasblaserei. Du zeigst auf ein Stück Wiese, überwuchert von Brenessel. Manchmal findet man Glasstücke. Zeugen einer anderen Zeit. Sie funkeln in der Sonne und treiben unsere Fantasie an. Verträumt gehen wir über durch das hohe Gras. Meine Waden beginnen kurz zu brennen. Ich ignoriere es. Du meintest noch, dass das doch nicht geht. Wenn ich nur eine kurze Hose anhabe, dann könnten, wir doch nicht da rein gehen. In der Mitte steht ein Zaun. Auf der anderen Seite zwei junge Stiere. Am aufgewühlten Boden glänzt es, wir sehen uns an, schütteln den Kopf und lachen.

Gestern wollte ich umziehen. Das Herz in eine andere Stadt, der Kopf in einen anderen Bezirk. Der Nachmieter war da, hat den Vertrag unterschrieben. In drei Tagen wird er beginnen einzuziehen. Den reservierten Lieferwagen habe ich nicht bekommen. Kurze Diskussion. Aufgabe. Ich muss mich auch nicht zum Idioten machen. Das einzige Problem ist, dass es nicht so passiert, wie es geplant war. Eine Kopfsache. Für eine Woche später einen Lieferwagen bekommen. Doch zuvor werde ich meinen Schlafsack und eine Tasche voller Bücher sowie ein paar weitere Dinge in die neue Wohnung bringen. Mit der Straßenbahn. Strom, Gas, Internet und Fernsehen muss ich noch regeln. Ich bin froh, wenn es vorbei ist. Wenn es meinen Kopf nicht mehr blockiert.

Leise Musik spielt in der Ferne. Wir liegen am Balkon, über uns strahelnd blauer Himmel und ein paar Sahnewolken. Du zeigst mir den Elefanten, der an uns vorüberzieht. Später wirst du mir noch erklären wie das Abendrot entsteht. Dass es mit Plätzchen zu tun hat. Und Engeln. Ich genieße den Moment. In deinen Armen. Glück, das uns verbindet. Um uns Blumen, die wieder einmal Wasser bräuchten. Ich sehe dir in die Augen, du lächelst. Ein kurzer Kuss. Dann kuscheln wir uns wieder aneinader und blicken in den Himmel. Stundenlang liegen wir da. Vollkommene Nähe. Hin und wieder ein Blick. Ein Kuss. Deine Hand, die über die meine streicht. Bis es dunkel wird. Die Sterne tauchen auf und zeigen uns die Unendlichkeit, die wir nicht erfassen können. Nicht erfassen müssen. Ich hole eine Decke aus dem Wohnzimmer und lege mich wieder neben dich. Die Kälte kann uns nicht vertreiben. Noch nicht. Du zündest ein paar Kerzen an.

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1 Kommentar

  1. Ein wärmender, zuckersüßer Text. Sehr,sehr hübsch- fast zum verlieben. ;) Also ich meine, er klingt sehr verliebt..da wird man ja ein klitzekleinwenig neidisch. Irgendwie sollten alle Menschen ein wenig verliebt sein, vielleicht dann wird die Welt ein wenig hübscher. Glaube ich.

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