Regentropfen

Ein kalter Wind lässt mich die Hände tiefer in den Taschn vergraben. Vor mir das Meer. Steinküste. Irgendwo in Südengland.

Mach mal Urlaub, raus aus diesem grauem Alltag.

Die Wolken ziehen behäbig vorbei. Unaufhörlich rollt sich das Wasser zusammen, zerplatzt spritzend an den Steinen und verwandelt sich in Schaum bevor es wieder hinuntertaucht. Ich gehe ein paar Schritte nach vorne, blicke hinunter. Ein paar grüne Büschel, die sich in der weißen Mauer aus Stein halten. Sie drücken sie auseinander, bis sie irgendwann hinunterfallen. Halt gibt es keinen. Mit dem linken Fuß schubse ich einen Stein über den Abgrund. Langsam fällt er, schlägt mehrmals auf und versinkt im Meer. Ohne Spuren. In der Ferne fährt ein Schiff vorbei. Hinterlässt einen weißen Streifen, der schon bald wieder verschwunden ist. Minuten später wird man seine Wellen messen können. Ich drehe mich um.

Versuch etwas neues. Fahr nach England.

Die Türe der Pension lässt sich nur schwer öffnen. Schwer, alt und träge. Niemand der sie pflegt, den Rahmen anpasst oder die Schanierer schmiert. An der Rezeption sitzt niemnand. Nur zwischen zehn und zwölf, sowie sechzehn und achtzehn Uhr. Ich drücke die niedrige Schwingtüre zur Seite und nehme meinen Schlüssel. Zimmer 12. Direkt unterm Dach. Am Vortag hat mir die Besitzerin erklärt, was man hier alles machen kann. Die größte Freiluftminieisenbahn bewundern, an den wunderschönen Steilküsten spazieren, Minigolf oder noch besser Cricket spielen, der lokalen Rugbymannschaft beim trainieren zusehen, am Wochenende sei sogar ein Match, gegen den Nachbarsort, dort gäbe es auch ganz leckeren Fisch. Sie könne mir auch ein Auto besorgen, falls ich wohin fahren wolle. Der Bus hält nur drei Mal am Tag. Und heute Abend wird die Ratifizierung der fünften französischen Verfassung gefeiert. Ich müsse wissen, dass der Ort ein Partnerdorf in Frankreich hätte.

Dort kommst du auf andere Gedanken.

Die Stufen knarzen, als ich vorsichtig hinaufsteige. Der dritte Stock. Am Ende des Ganges ein kleines, rundes Fenster. Dahinter sieht man die Dächer der umliegenden Häuser. Davor ein kleiner Tisch mit vertrockneten Blumen darauf. Mein Magen knurrt. Der eiserne Schlüssel öffnet die Türe mit einem lauten Klack. Im Zimmer steht ein kleines Bett, ein Stuhl und ein Schreibtisch. Der Kasten ist in die Wand eingelassen. Am Boden steht noch mein offener Koffer. Der kleine schwarze. Drei Garnituren. Mehr wollte ich nicht mitnehmen. Plane nicht zu einer Veranstaltung zu gehen und wenn mir kalt ist habe ich den schweren Mantel mit. Der Teppich ist dunkelbraun mit einem verworrenen Muster aus blau und rot. Ich spüre das rauhe Holz durch meine Socken. Dann setze ich mich an den Schreibtisch. Vor mir das Fenster zum Meer.

Vielleicht kommst du dann wieder zum schreiben.

Eine Möwe segelt über die Küste und verschwindet im grau. Zwei Wochen. Meine Gedanken ziehen sich zusammen und setzen sich in die kleine Ecke. Gleich neben den großen bunten Karton. Ich schließe die Augen, höre das sanfte Rauschen. Meine Hände streichen über den alten Holztisch. Er ist glatt und kühl. Weißes Papier. Ich atme tief ein und beginne zu schreiben.

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