Sie steht vor mir, an die Wand gelehnt. Mich frech angrinsend. Ich muss lächeln. Kurz. Dann streckt sie ihre Hand aus, nimmt die meine und zieht mich an sich. Ich spüre ihren Atem. Sanft und gleichmäßig.
Mittags bin ich mit dem Zug angekommen. Erst wahllos durch die Stadt gegangen. Die Altstadt angeschaut, am Fluss entlang geschlendert, um mich dann auf eine Brücke zu setzen. Von irgendeinem berühmten Architekten. Metall und Holz, nur für Fußgänger. Eine Bank auf jeder Seite. Genau in der Mitte. Unter mir wälzen sich behäbig die Wassermassen durch. Tiefblau. Mein Blick schweift in die Ferne. Am Horizont verschwindet der winzige Strich. In meiner braunen Umhängetasche liegt ein Brot. Mit Mozzarella und Tomaten. Daneben eine Flasche Leitungswasser.
Gestern war ich noch am Boden zerstört. Das Leben sei unnötig. Mir sind die Lichtblicke ausgegangen. Natürlich musste ich es ins Internet schreiben. Selbstmitleid. Vielleicht hilft wenigstens das noch. Dann hab ich mich aufs Bett gelegt. Gewartet, dass sich meine Augen mit Wasser füllen. Es langsam über die Wangen rinnt und Flecken auf der Decke hinterlässt. Musik die jegliches Geräusch erstickt. Passend zu meiner Stimmung.
Dann piepste mein Handy. Bin ich im falschen Film? Mir geht es scheiße, ich will alleine sein. Ich will sterben. Alles egal. Ein Ort und ein Name. Alles nur ein Traum. So etwas passiert mir nicht. Das ist doch lächerlich. Da erlaubt sich jemand einen Spaß. Mit meinem Leben. Ich schwanke in die Küche. Grinse das große Messer an, halte meinen Kopf unter den kalten Wasserstrahl. Finde mich am Boden wieder. Sekunden oder Stunden. Es ist mitten in der Nacht. In ein paar Stunden geht die Sonne wieder auf. Duschen.
In meinem Zimmer sehe ich wieder das Handy auf dem Bett liegen. Ich stecke ein paar Sachen in meine Tasche. Mit dem Taxi zum Bahnhof. Der erste Zug fährt erst in einer Stunde. Warten.
Zweifel. Ich erinnere mich an eine Mail von einer guten Freundin. Manchmal muss man Regeln brechen. Das ist die Türe, ich muss sie nur aufstoßen. Egal, was mich dahinter erwartet. Meinen Träumen folgen oder vor den Alpträumen flüchten. Da ist es wieder. Mein Herz beginnt zu rasen.
Der Zug ist beinahe leer. Ein paar Geschäftsleute. Einer maletriert sein Notebook. Die anderen sind in irgendwelche Unterlagen vertieft. Ein junges Pärchen. Mir wird schlecht. Auf dem Weg zur Toilette falle ich. Alles verschwimmt. Der Schaffner hilft mir auf. Ob ich ärztliche Versorgung brauche? Nein, alles in Ordnung. Ich stolpere weiter. Die Toilette. Es stinkt. Mein Ãœbelgefühl verzieht sich. Ein leeres Abteil. Ich lasse mich in den Sitz fallen. Blicke aus dem Fenster. Häuser ziehen vorbei. Die Sonne steht schon auf Halbmast. Felder, Wiesen. Riesige Ebenen. Nicht mein Leben, nicht meine Welt?
Eine junge Dame setzt sich in mein Abteil. Sie sieht angespannt aus. Beobachtet mich aus dem Augenwinkel. Ich versuche mich etwas aufzurichten, bin nur noch halb auf dem Sitz gelegen. Kurz treffen sich unsere Blicke. Dann sieht sie zu Boden. Ich wieder aus dem Fenster. Ein See. Erinnerungen. Noch mehr. Ich schließe die Augen. Müdigkeit überkommt mich.
Ich bin wieder alleine im Abteil. Nur noch ein paar Minuten. Einfach sitzen bleiben. Weiterfahren bis zum Ende. Der Zug steht schon. Ich stehe auf, die Türen sind geschlossen. Notbremse? Ich rüttel an der Türe. Der Schaffner von zuvor. Er spricht etwas in sein Funkgerät. Die Tür öffnet. Ohne etwas zu sagen, steig ich aus. Er sieht mir kurz hinterher, dann fährt der Zug los.
24-Stunden Ticket. Irgendwas. Die Frau am Schalter starrt mich an. Ich lege einen Zehner hin, nehme das Ticket und geh weiter. In den ersten Bus steige ich ein. Zentrum steht oben.