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Die Zeit vergeht. Wir bleiben.

Als eine Kollegin heute meinte, dass ich jetzt auch alt werde, sind wieder Bilder durch meinen Kopf geblitzt. Ich habe in den letzten Jahren viel erlebt, mich verändert und bin im Kern gleich geblieben. Es ist das Leben das mich gelüstet. Das Sein und Vergehen. Wir sind hier und wir sind jetzt. Niemals allein.

Die Schnüre einer Welt. Sie liegen nicht in einer Hand, sie sind nicht bei den sogenannten mächtigen, sondern bei mir. Ich kann und ich werde. Es ist meine Welt. Ich habe sie geschaffen und ich kann sie zerstören. Langsam gleitet der weiche Stoff durch meine Hände. Ich setze mich auf den Boden, die Beine überkreuzt. An mir rauschen die Autos vorbei. Sie sehen mich nicht und ich nehme nur ihre verschwommen Silhoutten wahr. Tick Tack. Tick Tack. Ich lege mich auf den Rücken. Der Regen läuft über mein Gesicht, kitzelt in den Ohren. Die Haare kleben auf der Haut. Aufstehen und losgehen. Die Lichter leuchten an mir vorbei, ihr Schein erfasst mich nicht. Beginne zu schweben. Stück für Stück dem Himmel entgegen. Erst als ich das höchste Dach hinter mir gelassen habe, beginne ich zu laufen. Springe durch die Wolken, lasse mich nach unten gleiten, um wieder hinaufzurutschen. Am Horizont kommt der gelbe Koloss zum Vorschein. Ich muss lächeln. Setze mich auf das Eck eines Daches. Die letzten Tropfen zerschlagen das Licht, lassen es in all seinen Farben glitzern. Meine Beine schwingen zur Musik, die aus der Strasse kommt, mich sanft umweht und dann weiterzieht. Ich lasse mich zu Boden sinken.

Die ersten Menschen kommen aus den Häusern. Sie sperren Läden und Geschäfte auf, manche grummlig, andere fröhlich. Eilig hasten sie den Schacht hinunter, springen in die dampfgetrieben Kutschen. Einer nach dem anderen. Ich springe auf und gebe Gas. Die Häuser ziehen an uns vorbei. Mal klein, mal groß. Oft grau, manchmal rot. Über dir Brücke auf das Land hinaus. Die Äcker sind in voller Blüte. Sonnenblumen, räkeln sich dem Licht entgegen. Im Wald grüßen uns die Vögel. Ich springe ab. Lasse mich auf einem Ast nieder und beobachte das Treiben. Zwei Hasen jagen über das saftige Grün, ein Reh steht auf der Lichtung, genießt die Wärme. Ich beginne zu laufen, durch das Dickicht, über Stock und Stein. Immer schneller, immer wilder. Äste streifen mich, andere weichen zurück. Ich bin nur noch ein Luftzug, der sich seinen Weg durch feine Blätter bahnt. Kraftvoll fahre ich durch die vollen Ähren, die hinter mir noch lange schwanken. Nur wenige Zentimeter über den Boden sause ich über die Landschaft.

Der Berg wird steiler, ich langsamer. Das Rad versucht sich aufzustellen, bockig wie ein Pferd. Ich lehne mich nach vorne, berühge es und schnaufe weiter. Umdrehung für Umdrehung, bis ich oben ankomme. Der Gipfel verziehrt mit einem großen Stein. Ich gehe einmal rundherum, bevor ich hinaufklettere und meine Jause auspacke. Mit großen Schlücken lehre ich die Flasche bevor ich mich wieder auf den Sattel setze. Einmal die Strecke im Kopf durchgehen, sich runterstürzen und den Fahrtwind genießen, wie er an den Haaren zieht. Die Räder beginnen zu flattern, ich drücke mich nach unten, der Wind das Rad. Vor den Kurven ein leichtes Bremsen, sich auf die Seite legen und durchziehen.

Die Stadt macht Feierabend. Ich schleiche die Treppe hinauf, mein Kopf zerzaust. Als ich den Schlüssel umdrehe, höre ich ihre Schritte. Sie fällt mir um den Hals, hält mich fest. „Alles Gute“, haucht sie mir ins Ohr. Ich schließe die Augen und küsse sie. Es ist unser Abend. Unser Jahr. Unser Leben. Bis spät in die Nacht liegen wir auf der Dachterasse, blicken in den Sternenhimmel und sind einfach da.

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9 Kommentare

  1. Weil es nie zu spät ist, wünsche ich dir auch noch Mal alles Gute (:
    Deine Texte berühren und lassen Träume entstehen. Ich hoffe, du hörst nie auf damit.

  2. many happy returns! irgendwie haben ziemlich viele leute in meiner umgebung im september geburtstag. außerdem unglaublich nur 1 1/2 jahre, habe immer gedacht es sind mehr.

    1. Danke.

      Ich kann Alter nur schwer schätzen und freue mich daher, wenn andere es bei mir nicht schaffen.

      In unserer Welt wird zu viel Wert auf diese Zahlen gelegt. Man kann in wenigen Sekunden mehr Erfahrung sammeln als andere in Monaten.

      1. Ich habe auch nicht oft das gefühl jünger zu sein als mein gegenüber. ist nicht selten vorgekommen das mich leute mit damals 16 für über 20 gehalten haben.
        Aber eigentlich sind Zahlen wirklich egal, denn es gilt ja immer noch `jeder ist so alt wie es sich fühlt oder macht`.

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