Jugendliche

Immer wieder fliegt man durch fremde Welten, man ist sich nicht sicher, ob das alles war ist oder nur eine Wahnvorstellung des eigenen Geistes, der sich selbst verwirrt und in einer Spirale des Wahnsinns immer weiter treibt. Ein kurzes Schließen der Augen bringt jedoch nicht die erhoffte Erleichterung in Form eines Aufwachens oder zumindest realisieren der Fiktion, stattdessen sitzt man in seinem Sitz. Neben einen eine Gruppe Jugendlicher. Zu Beginn hat man sich noch daran erinnert, wie man selbst einmal war. Die Phase der Verliebt sein und Klassenintrigen. Doch dann bemerkt man, dass man plötzlich auf der anderen Seite sitzt. Man ist bei den Coolen gelandet. Bekommt mit, wie sie sich über die anderen aufregen, wie sie sie schlecht reden und dabei so lächerlich wirken. Jedoch nur wenn man nicht drinnen ist. Man kann es sich nicht vorstellen, wie es sein könnte dazuzugehören. Und wenn man es tut, möchte man sogleich wieder aus der Rolle ausbrechen. Das einzige, das das zeigt ist das Unvermögen, wirklicher Vorstellung, wie es sich anfühlt. Zugehörigkeit. Gemeinsame Feinde.

Auf dem Kopf eine Kappe immer. Um seine Position zu stärken. Cool sein. Im Sinne der aktuellen Modevorstellung vorne mit dabei. Es ist toll, wenn man nicht sprechen kann. Es gibt Applaus, wenn man triviale Argumente liefert anstatt immer wieder das gleiche Wort zu wiederholen. Es geht um Beziehungen oder so etwas ähnlichem. Man zieht gemeinsam Schlüsse aus den angeblichen Annäherungsversuchen. Vorsichtige Vorstöße in das Thema Sex, wenn es einem zu viel wird, sofort die Lächerlichkeitsbremse ziehen. Alle lachen und für einen Moment sieht man die verwirrten Gesichter. Bevor es wieder weitergeht.

Mittendrin jemand, der nicht hineinpasst. Er wird immer wieder von den anderen niedergemacht. Ist ja nur Spaß. Die Mädchen erwarten sich, dass er sich wehrt, doch er meint es sei ihm egal. Wenn die anderen beschäftigt sind, dann unterhält er sich mit der Kappe. Ganz normal. Beinahe niveauvoll. Zwischendurch ein paar unsichere Lacher. Um dazuzugehören. Ein bisschen zumindest. Aber es ist noch lange nicht perfekt. Er bildet sich etwas dabei. Weiß, dass er mit den einzelnen gut reden kann, aber sobald die Gruppe beisammen ist, wird wieder auf ihm herumgehackt. Im Gespräch denkt Kappe nicht daran, auf wessen Seite er ist. Er macht sich über einen andere Coolen lustig. Doch der merkt es nicht. Ein Mädchen sieht kurz auf und schon geht es weiter. Eine Welt von Lapalien in Kombination mit tiefen Gefühlen, die auf keinem Fall zu ernst rüberkommen dürfen. Immer in einem halbwitzigen Ton, um sich einen Ausweg offen zu halten.

Anhand der Lacher der Mädchen kann man feststellen, wen sie gerne in ihrer Nähe hätten. Ein wenig Händchen halten. Vielleicht ein vorsichtiger Kuss. Nicht offen darüber sprechen. Ein paar unterdrückte Lacher. Manchmal lauter, manchmal weniger.

Und schon ist man wieder in ihrer Welt. Aus dem Augenwinkel beobachtet man das Geschehen. Durch ihre Lautstärke ist es gar nicht mehr möglich wegzuhören. Mehrmals der Versuch in ein Buch zu flüchten, doch sie holen einen ein. Immer wieder. Ihre Lacher, die lauten Stimmen und dazwischen schmatzen. Eine Chipstüte macht die Runde. Man hat das neue Objekt der Aufmerksamkeit gefunden. Es scheint sich um ein Mädchen zu handeln, das sich nicht an die Regeln gehalten hat. Neben einen Jungen und ihn in ihrer Hand. Plötzlich handelt alles nur noch von ihnen. Weiterhin voller Halbwitz und vorsichten Vorstößen. Ein neuer Unterton. Neid. Die Vorstellung selbst in der Position zu sein. Doch die Sicht ist zu begrenzt. Man denkt nicht daran, was man selbst gerade über die anderen sagt und stellt sich doch vor, wie es wäre selbst betroffen zu sein.

Eine Aussage, die nicht in Kappes Muster passt. Er sagt was er will anstatt nur Witze zu machen. Das Mädchen, welches ihn bebrunft, freut sich. Möchte dass er öfter so ist. Auch einmal sagt, was er will. Sie erwartet sich sogleich, dass er sie zu sich einlädt. Schon ist er wieder in der Witzschiene. Sieht dennoch eine Chance. Oder ein Wunsch. Doch das Gespräch entwickelt sich weiter. Sein Griff zur Hose verrät mehr. Fällt nur niemanden auf. Vermutlich besser so.

Man schlägt sich. In der Stimme der Schmerz, doch einem wird gesagt, dass es nicht weh tut. Man redet es sich ein. Man lacht. Es war nur ein Witz. Es ist lustig. Es ist immer lustig. Es muss lustig sein. Viel zu leicht gerät man an den Rand. Subtile Aggressivität. Man sitzt schon zu lange im Zug. Die Reise geht ihrem Ende zu. Man will es nicht recht wahr haben. Vielleicht ist man auch auf die eigene Unfähigkeit sauer. Doch das Ventil sind die anderen. Weiter der Versuch es nicht zu ernst wirken zu lassen.

Wieder über die Grenze. Es hat sich nichts verändert, doch jetzt wird telefoniert. Man muss vom Bahnhof nach Hause kommen. Hallo Mama, Hallo Papa.

Jugendliche. Es ist kein Problem. Sie sind so.

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4 Kommentare

  1. nette szene und interessante beobachtungen. das erinnert mich an diese verlorenheit zwischen zwei welten, unsicher, unreif und viel zu nah am abgrund. vielleicht müsste es wirklich nicht so sein, aber nur allzuwenige bekommen respektvollen umgang vorgelebt

  2. Ich wage keine Aussage darüber, ob es sein muss oder nicht. Dennoch weiß ich, bilde mir zumindest ein, dass weder das eine noch das andere schadet. Ich habe eine Welt miterlebt. Heute gute Freunde aus der anderen. Es ist nicht immer einfach. Doch das ist die Phase des Erwachsen werdens selten. Menschen passen sich der Umwelt an. Und wenn sie noch so widrig ist. Manchmal ist es zu viel. Manchmal passiert es. Doch ich kenne keine Klasse in der es solche Unterschiede nicht gab.

    Nur irgendwann muss man sich ändern. Sehen dass man damit nicht weiter kommt. Für sich selbst leben und Verantwortung übernehmen.

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