Textadvent #12

Faszination und Angst. Kunst. Kunst, die mich verstört. Wenn du mitten in der Nacht eine kryptische Freundesanfrage bekommst, nachdem am Tag zuvor dein Account gehackt wurde. Ich werde darauf gestoßen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass man sich zu identifizieren gibt. Es ist nicht selbstverständlich, dass man dem Besucher ein Gefühl gibt, dass man weiß, wer hinter dem Account steckt. Illusion. Und doch passt es. Die Kontakte geben Aufschluss über das Umfeld. Doch ist es real. Ein virtueller Charakter? Ein Experiment. Mein Kopf lockt mich an die dunklen Orte, die ich hinter mir gelassen habe. Niemals die Faszination am Überschreiten von Grenzen verloren. Wir wissen nichts und alles. Wir können nur vereinfachen ohne jemals alles wissen zu können. Menschen sind. Wir wünschen uns, dass Menschen wären. Dass wir alle Zahlen hernehmen könnten und dann wissen wir, wie Menschen sind. Doch es gibt keinen Durchschnitt. Es gibt nur mehr Menschen, die eher so sind. Verschleiert und beeinflusst. Das Unbekannte, das uns Angst macht. Spannung bringt. Es rüttelt an der von uns konstruierten Welt. Ich habe mir alles zurecht gebogen, dass es ein stimmiges Bild ergibt. Fühle mich wohl darin und weiß, dass es Illusion ist.

Ich habe schon immer gerne mit den Menschen gespielt ohne je darüber zu sprechen. Es war mein kleines, manchmal dunkles, Geheimnis. Ein ganzes Adressbuch mit Identitäten. Wie einfach es ist, sich gegenseitig zu bestätigen. Zwei Freunde reichen in den meisten Fällen aus. Je mehr die Menschen in das Internet vertrauen, desto einfacher. Man muss sich nicht einmal besonders viel Mühe geben. Doch das gewinnen von Vertrauen ist viel zu einfach. Es ist nur der erste Schritt zu einem viel längeren, interessanteren Spiel. Ein paar Gedanken preis geben, und seien sie nur erfunden. Schon steht einem der Kopf des Gegenüber offen. Konsistenz vereinfacht, aufbrechen des Musters macht es spannend. Immer wieder neu von sich überzeugen. Weiter hinauslehnen und mehr erfahren. Ein Spiel, das wir Leben nennen. Wir suchen uns unsere Identität zusammen und geben dann vor, dass das wir sind. Konsistenz ist die Bestätigung. Sie können darauf vertrauen, dass wir immer wieder gleich reagieren, denn wenn wir es nicht tun, bricht das Vertrauen. Sie sind verstört, können sich nicht bei jeder Begegnung, bei jeder Interaktion neu auf uns einstellen.

Psychologie hat mich nie angesprochen. Das Verhalten des einzelnen ist viel zu faszinierend, um es in allgemeine Muster zu stecken. Typen zu erstellen und zu kategorisieren. Man stellt Ähnlichkeiten fest, könnte gleich reagieren und beinahe gleiche Ergebnisse erhalten. Doch wo bleibt das die Überraschung. Versuchsobjekt Mensch. Versagt man, rüttelt man wach. Es gibt keinen Gewinner. Manchmal lasst man sie mit der Vorstellung zurück, meldet sich nie wieder. Manchmal entschuldigt man sich. Manchmal lässt man sich verlieren. Wir sind Gefangene unseres Kopfes. Unfähig jede Sekunde ein ganzes Leben zu leben. Unsere Denkleistung reicht nicht aus. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass immer wieder das gleiche passiert. Und weil viele Menschen nicht damit klarkommen, taucht man ein in Videospiele. Das tauchen in neue Rollen, das einfach tun. Es gibt nur Gewinner. Die Programmier sind Gott und man selbst kann die Grenzen finden. Wie weit kann man gehen und wie kann man sie überschreiten. Der vorgesehene Weg ist spätestens beim zweiten Mal nicht mehr spannend genug. Es ist großartig, doch etwas anderes. Ein Spiel reagiert immer wieder gleich. Menschen nicht. Man kann mit ein und dem selben Menschen immer wieder spielen, er reagiert immer wieder anders. Es strengt an, bringt mich manchmal ans Limit. Dann übernimmt man wieder den Charakter, der sich bereits hochgelevelt hat. Der bereits das Vertrauen besitzt auch einmal Fehler zu machen und den man durch Konsistenz immer weiter bringen kann. Es wird akzeptiert, wenn man ihn anpasst. Man darf die Änderungen nur nicht zu plötzlich umsetzen. Warten bis sich die anderen daran gewöhnen. Weiter gehts.

Man kann sich niemals sicher sein. Auch nicht hier. Und schon steht das erspielte Vertrauen auf dem Spiel. Doch darum geht es. Oder?

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2 Kommentare

  1. du erwähnst eins in deinem text nicht: dein eigenes unbewusstes. nicht den blinden fleck, wenn du allein bist und niemand, auch du nicht, ihn sehen kann.
    ich meine den, den die wahrnehmen können, denen du glaubst, etwas vorzuspielen. es ist verblüffend, wie viel man auch in diesem virtuellen raum richtig erspüren kann. auch wenn das gegenüber sich bald die eine, bald die andere identität zulegt. denn es bleibt doch so: stringent kann das nur sein, wenn man etwas von seinem wahren selbst hinein gibt. sonst wird man verrückt daran. das hält man nicht ewig durch, so ein spiel.
    man sollte sich auch nicht selbst bescheißen. ich bin, frag nicht, woher, überzeugt, dass man alles selbst ist.
    was ich mich frage: wozu spielst du um vertrauen? wer manipulieren kann, hat macht über andere. das ist dir klar. was ist der kick daran, das vertrauen des anderen aufs spiel zu setzen? menschen und ihre verhaltensweisen studieren geht auch ohne. was ich mich auch immer wieder frage: wen hasst du? wen hast du so geliebt, dass du so hassen gelernt hast? und wieso?
    ich weiß nicht, ob ich darauf wirklich eine antwort will. lieber, als dass ich sage „komm, spiel mit mir dein spiel“, werde ich dich lesen und studieren. zwischen den zeilen.

    1. Ich kann andere nur manipulieren, wenn ich mich selbst manipuliere. In eine Rolle schlüpfe. Diese färbt auf mich ab. Selbst wenn ich es nicht möchte. Und sie ist nur meine Erfindung. Nicht immer gewollt, manchmal entstanden aus einer Reihe von Angaben, die man macht, um geliebt zu werden.

      Das ganze Leben ist ein Spiel. Ohne Speicherpunkt und Sicherheit. Der Einsatz sind wir selbst.

      Sieben Jahre. Eine Geschichte, die mich verändert hat. Die oft mitschwingt, aber nie erzählt wurde. Vielleicht. Irgendwann.

      Wenn du was rausfindest, lass es mich wissen.

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