Scheißgedanken

Scheiße. Ich schiebe den Bügel der Tasche wieder höher auf die Schulter. Die Straßenlaternen leuchten alle Ecken aus. Scheiße. Ich drehe mich um. Paranoide Art. Seit ich mich erinnern kann. Früher bin ich manchmal nach Hause gerannt. Ich hatte immer das Gefühl, es wäre jemand hinter mir. Beruhigend, wenn ich jemanden verfolgt habe. Nur so. Ohne die Person zu kennen oder ihr näher kommen zu wollen. Nur das Gefühl, nicht hinten zu sein. Scheiße. Ich huste. Spüre den salzigen Schleim in meinem Mund. Muss spucken. Ich bin allein. An einer Schnur aufgereiht stehen die Autos da. Manchmal überlege ich auf eines raufzuklettern und über die Autos weiterzugehen. Mich reizt das Verbotene. Nur noch selten. Die Ampel blinkt gelb. Das ist orange habe ich immer gesagt. Ist es auch. Aber man nennt es gelb. Und da sagt man meine Texte machen keinen Sinn. Sollen sie auch nicht. Nicht immer. Scheiße. Ich möchte mich mitten auf die Straße legen. Liegen bleiben. Unter mir der kalte Asphalt. Die Arme von mir strecken und in die Sterne schauen. Gibt es hier nicht. Als ich noch jünger war. Als ich noch in diesem kleinen Dorf lebte, bin ich manchmal mit dem Nachtbus heimgefahren. Die Felder schneebedeckt. Tausende Sterne. Minutenlang stand ich da und starrte in den Himmel. Beeindruckend. Winzig klein und unwichtig. Die Handlungen ohne Relevanz. In einem erfundenem System, damit alles irgendwie funktioniert. Scheiße. Ich stehe wieder auf und gehe weiter.

Der Abend war toll. Keine Beschwerden. Nette Leute, nettes Blabla. Ich habe ein bisschen getrunken, ein bisschen gelacht. Viele schlechte Witze. Ein paar interessante Überlegungen. Jeder Abend geht irgendwann zu Ende. Bei manchen hätte man gerne, dass es früher passiert. Scheiße. Würde ich es noch einmal gleich machen? Würde ich wieder hingehen? Es spielt keine Rolle. Rein fiktive Überlegungen, die möglicherweise irgendwelche Entscheidungen in naher oder auch ferner Zukunft beeinflussen könnten. Ein ganze Leben verändern. Oder auch nicht. Scheiße. Ich will schreien, doch mein Hals hat nur ein Röcheln auf Lager. Als würde man mich würgen. Der Werbeaufsteller grinst mich blöd an. In Gedanken trete ich ihn um. Mit Schwung, sodass er noch ein paar Meter über den Boden schlittert. Scheiße. Die Schulter tut weh. Die Tasche wegwerfen. Wollte mir sowieso einen neuen Laptop kaufen. Oft nehme ich ihn nur für den Fall mit. Könnte ja sein, dass. Scheiße. Was habe ich in der letzten Woche erreicht. Woran kann man das überhaupt messen? Braucht man dafür Ziele? Ziele, die man sich gesteckt hat, um zu kontrollieren, ob man sie auch erreicht? Und nach welchen Kriterien steckt man diese Dinger? Was man sich selbst erwartet oder vielleicht die Gesellschaft? Erfolg und alles. Scheiße. Ich schließe die Augen.

Ich drehe den Schlüssel um, drücke die Türe mit dem Fuß auf. Den Gang entlang, die kleine Treppe rauf. Am Ende die Wohnung. Ich lege die Tasche auf den Schreibtisch, lasse mich auf das Sofa fallen. Ein kalter Schauer. Ich lebe im Konjunktiv. Zähne zusammenbeißen. Hinlegen. Alles spielt sich in meinem Kopf ab. Eine tolle Fantasie. Doch das war es dann auch schon. Mein Leben ist nicht langweilig. Doch weit von dem entfernt, was sich im Kopf abspielt. Meistens ganz gut. Sicherer. Vielleicht will ich das aber nicht. Das sichere Leben. Es wäre meine Entscheidung, doch ich treffe sie nicht. Ich liege auf meinem Sofa und denke nach, was wäre, wenn ich das was wäre wenn wenn weglassen würde. Wenn ich all die Dinge einfach machen würde. Und es ist der erste Schritt sie zu tun. Entzug von der eigenen Handlungsunfähigkeit. Spaß haben. Weil ich es kann. Ich muss mir manche Worte zu Herzen nehmen. Auch wenn es schwer ist. Manchmal muss man Prioritäten setzen und manchmal muss man verrückte Dinge tun. Über sich selbst wachsen und das System einmal vergessen.

Scheiße. Ich kann das.

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