Die Nacht

Die Nacht. So zart brutal.

Die Dunkelheit schlägt um sich. Hüllt mich ein. Atemlos liege ich da. Mitten auf dem Teppich. Hände und Füße von mir gestreckt. Die Augen geschlossen. Wo sind meine Gedanken? Wo sind sie?

Nice guy. What the fuck!

Glühend dröhnt die Musik in meinen Ohren. Der Boden bebt. Mein Bauch mit ihm. Sie haben uns ein Denkmal gebaut. Und jeder Vollidiot weiß, dass das die Liebe versaut. Meine Finger klopfen den Beat.

Wörter sind wie Schall und Rauch. Wörter sind meine Drogen. Sie benebeln mich. Lasse mich träumen, machen mir Angst. Das Leben, mein Leben. Voller Wörter. Sie umrahmen was ich fühle. Aufschluss und Verwirrung. Lass sie nicht zu nah an dich ran. Zwanghaft und frei. Der Gedanke, der sanft herunterfließt und zerbricht.

Wir halten jetzt die Welt an.

Sie steht schon. Wartet nur auf mich. Dass ich endlich ankomme. Doch das werde ich nicht. Ankommen bedeutet Stillstand. Immer auf der Jagd nach dem Glück. Angst es zu erreichen. Man steht davor, greift zu, greift ins Leere. Taumelt, fällt und steht wieder auf. So leicht kann man mich nicht brechen. Immer wieder steigen die Gedanken auf, fliegen gen Himmel und schweben über den Horizont.

Don’t leave me alone.

Eisig sticht die Vergangenheit in meinen Rücken. Ich schreie auf, drehe mich zur Seite, klammere mich in den Teppich. Warmes rot mit buntem Muster. Viel zu teuer. Blaues Licht. Sirene. Verschwunden, als sie auftauchte. Retter in der Not. Und die Menschen. Und die Menschen? Liegen einfach da. In ihren Wohnungen. Nicht einmal versuchen auszubrechen. Den Glanz nicht sehen. Eingelullt im Jetzt.

Du siehst die Tage, siehst die Stunden. Sie an dir vorüberziehen. Und irgendwann schleißt du die Augen.

Winzige Perlen, die glitzernd die Fasern berühren. Flüssiges Glück. Verschwende deine Zeit. Es schwirrt um mich herum. Orange Buchstaben auf schwarzem Grund. Kein Grund zur Sorge. Freude. Reine Freude. Strömt durch den ganzen Körper. Lässt mich zusammenzucken. Zittern.

Die Nacht. So brutal zart.

Kalte Sehnsucht

Rationalität schießt durch meine Adern. Für einen Moment hatte ich geglaubt, dass es gehen könnte. Dass ich im Bett liege, die Augen schließe und einschlafe. Eine sentimentale Täuschung.

Ich starre die Decke an. Ein trapezförmiger Lichtfleck von einer Straßenlaterne. Leise surrt der Lüft des Laptops. Gleichmäßiges Atmen. Meine Augen senken sich, der Kopf hebt sich. Draußen die Wolken. Von der Stadt mit Licht versorgt. Unentgeltlich. Die kahlen Spitzen eines Baumes und dunkle Fenster.

Sobald ich die Augen schließe sehe ich dich. Dein Gesicht. Ich will danach greifen. Sanft über die Wange streichen. Meine Hand zerbricht bei dem Versuch. Zitternd.

Ich drehe mich auf die Seite. Eng an die kalte Wand gedrückt. Sie lenkt mich ab. Bringt mich zurück in meine kleine Welt. In eure Welt. Die rauhe Struktur der Tapete. Darüber weißer Farbe. Sie fließt in meine Haut, lässt mich verblassen.

Eine unberührbare Welt des Glücks. Vertrautheit. Ich kann sie nicht einreißen. Will ich auch nicht. Jeder Gedanke lässt mein Herz springen. Prickelnd durchfährt es meinen Körper. Gänsehaut. Ich beiße mir auf die Lippe.

Zurück in einer Welt, die ich nicht formen kann. Voller ungeplanter Zwischenfälle. Vorgänge, die mehr laufen als gehen. Es gibt keine Grenzen, die ich niederreißen kann. Verschwommene Ãœbergänge. Gefühlsüberschussknappheit.

Auf die andere Seite drehen, die Decke bis zum Kopf ziehen. Langsam kehrt die Wärme zurück. Ich spüre deine Gedanken. Traue mich fast nicht zu atmen. Erinnerungen, Hoffnungen, Träume. Sie vermischen sich im jetzt und lassen mich lächeln. Die ganze Nacht.

Bahnzeit

Ein Blick auf die kleine Uhr auf dem Handydisplay, kurz nach vier. Sie läuft mir davon. Die Zeit. Wieder und immer noch. Früher habe ich es bemerkt heute beobachte ich, wie sie an mir vorbeiströmt und morgen überhole ich sie.

Heikle Themen soll man nicht ansprechen. Nicht stehen bleiben, kein Wort. Immer weiter. Ins Verderben. Die Straße geht zu Ende, eine andere beginnt. Menschen rennen zur Straßenbahn, fluchend schauen sie ihr hinterher. Eisverkäufer gibt es nicht mehr. Tiefkühltruhen. Ich rücke meine Tasche zurecht.

Zwischen Himmel und Hölle. Nur ein paar Momente. Kein Gesicht, das ich sehen kann. Sie laufen an mir vorbei. Unbeachtet, glücklich. Ein kleines Mädchen steht am Straßenrand, ein Pack Rosen in der Hand. Sie sehen traurig aus. Ich hasse kurz das System. Welches? Beide. Gleich wird sie auf mich zugelaufen kommen, mir eine Rose entgegenstrecken und ich werde sie ohne ein Wort zu sagen böse anstarren. Dann wird ihr Lächeln verschwinden und sie mit ihm. Mein Magen knurrt.

Gestern war es heiß, ich lag auf der Dachterrasse und genoß das Leben. Heute ist der Himmel bewölkt, ich habe wieder meinen grauen Mantel an. Der Wind bläst mir die Haare vors Gesicht. Es ist mir egal. Ich kenne den Weg und sehen muss ich heute niemanden.

Der Abgang zur U-Bahn. Wie ein Schlund, der alles in sich aufsaugt. Auf der anderen Seite würgt er es wieder aus. Ich remple mich durch die entgegenstömende Masse. Menschen jeden Alters, sie stehen unter Druck. Die Zeit, die sie treibt. Ich weiche aus. Sie rennen ins Leere. Dann Stille. Alle sind verschwunden. Ich schlendere den Bahnsteig entlang. Blicke auf die Anzeige. Acht Minuten. Zu viel Zeit um nur dazustehen. Möchte mich auf die Bahnsteigkante setzen, ein Blick zur Kamera, ich hole mein Notizbuch heraus.

Menschenmassen strömen, rennen, atmen. Ungehalten gegen Wände, in die Leere, kein zurück. Erinnerungen, die verblassen, nach Sekunden, wie ein Blitz. Durchdrungen und verschwunden. Hinterlassen Löcher, winzigklein. Unbedacht. Wer ich bin, wohin ich gehe. Nicht mit ihnen. Nur ein Fisch. Abgekommen, ausgebrochen. Kleine Perlen, die am Boden liegen. Glitzernd, unerreichbar. Stehen bleiben, langsam sinken. Bis man ankommt.

Auf der anderen Seite fährt ein Zug ein. Leute strömen heraus, springen über die Treppe, drängen sich in den Aufzug. Ich lehne mich an die Wand, suche ihre Blicke. Hastig vorbeieilend. Nicht heute. Vielleicht das nächste Mal. Ich muss lachen.

Dann fährt meine Bahn ein.

Strichliste

„Hi, kennen wir uns?“
„Nein.“
„Oh, ähm ich bin Nadja.“
„Hallo Nadja.“
„Erfahre ich deinen Namen auch?“
„Nein. Ich bin niemand, den man kennen müsste.“

Kurz sieht sie mich verwirrt an. Dann lächelt sie wieder und beginnt von ihrer Ausbildung zu reden. Eine Zeit lang höre ich ihr zu, nippe an meinem Erdbeersaft, dann gehe ich.

„Halt! Du kannst mich nicht einfach so stehen lassen. Wir haben uns gerade unterhalten.“

Ich drehe mich um. Gehe wieder zu ihr hin und schaue in ihre Augen.

„Nein. Du hast vor dich hingequasselt und ich habe nachgedacht. Unterhalten bedeutet, dass zwei Personen miteinander kommunizieren. Ist aber auch nicht so wichtig. Wenn du rüber an die Bar siehst, dann siehst du einen jungen Mann mit einem hellblauem T-Shirt und einer unglücklich gewählten, braunen Hose. Der würde dir begeistert zuhören. Da musst du nicht einmal lächeln und er spendiert dir einen Drink nach dem anderen. Wenn er dir zu langweilig oder schüchtern ist, kannst du zu dem Typen gehen, der gerade neben dem DJ steht. Siehst du ihn? Der hat zwar drei andere Frauen, mit denen er gerade herummacht, aber ich denke, dass du recht gut in sein Schema passt und er sich zumindest für einen Abend zurückhalten wird. Mit dem kannst ein paar Abenteuer erleben oder irgendetwas verrücktes machen. Mach dir einfach einen schönen Abend und lass mich in Ruhe. Ich habe keine Lust mich mit dir zu unterhalten. Es interessiert mich nicht, was du alles kannst oder noch machen willst. Es ist mir auch egal, mit wem du wann auf Urlaub gefahren bist und wie süß das Baby deiner Freundin ist. Lass mich einfach in Ruhe.“

Sie will etwas sagen, aber ich habe mich schon umgedreht und gehe zu einem leeren Tisch im hinterem Bereich des Lokales.

Nachdem ich mich gesetzt habe, schau ich kurz in die Menge. Sie hat den ruhigen Weg gewählt. Die Augen des Typen hängen etwas schief und er wird sich in ein paar Tagen umbringen wollen, wenn sie mit ihm fertig ist, aber das ist nicht mein Problem. Durchziehen wird er es sowieso nicht. Vielleicht nimmt er dann sein Leben in die Hand. Ein bisschen zumindest.

Mr. Ichbinsogeil macht sich bereits an ein anderes, viel zu junges, Mädchen gemacht. Um die würde ich mir schon eher Sorgen machen, aber spätestens in zwei Stunden ruft ihr Vater an und wenn sie dann nicht erreichbar ist, kommt er mal eben vorbei und holt sie. Ich wünsche Mr. Ichbinsogeil, dass er in dem Moment nicht an ihren Lippen hängt. Sonst kann er sich am Morgen darüber freuen, dass sich die Schwester mit der Bettente an seinem Schwanz zu schaffen macht.

Ich hole den kleinen Notizblock heraus, den roten, und mache einen Strich.

Für den Moment

Ich irre durch die Nacht. Das ist alles Leben. Das alles bin ich. Hin und wieder ein paar Gedanken, die von den Dächern tropfen. Ein Tag wie jeder anderer. Nur heller und ohne Licht.

Viertausenddreihunderteinundachtzig Schritte. Wann ich begonnen habe zu zählen, weiß ich nicht mehr. Es gibt keinen Grund und kein Ziel. Um des Zählens Willen. Unsinn sage ich. Während ich mein Bewusstsein ablenke, kann ich in mein Unterbewusstsein abtauchen und Dinge denken, die für andere unerreichbar sind. Es ist anders, mit Worten nicht mehr zu beschreiben. Zu schwach unserer Sprache. Wir drücken mit möglichst wenigen Buchstaben alles aus. Doch irgendwann kommen wir an Grenzen. Um zu kommunizieren müssen beide Lebewesen den Lauten die gleiche Bedeutung beimessen. Weißt du was Schmerz bedeutet? Wenn ein Messer meinen Körper zerschlitzt und ich schreie, kannst du in mein Gesicht sehen und du weißt, dass ich Schmerzen habe. Doch dein Kopf denkt nicht das Wort. Dein Kopf fühlt den Schmerz. Du zuckst zusammen, verkrampfst dich. Dennoch brauchen wir die Worte um auf höheren Ebenen kommunizieren zu können.

Einzelne Gedanken zerplatzen am Asphalt. Sie werden von ihrer eigenen Geschwindigkeit zerissen und verstreut. Ich strecke meine Fühler aus, spüre die Kälte, den Druck. Ich genieße wie sie über mein Gesicht fließen und meine Haut benetzen.

Ein weiteres Mal lasse ich den Blick in die Vergangenheit schweifen. Wo komme ich her? Sofort drängt sich die Zukunft auf. Wohin gehe ich? Die Gegenwart schiebt sich dazwischen und füllt mich auf. Wer bin ich? Alle guten Dinge sind drei. Ich könnte schreien. Einfach erzählen was ich weiß. Oder will, dass ihr wisst. Es liegt in meiner Hand. Niemand kann es überprüfen. Noch nicht. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, soll man sich beim Schopf packen. Dass man sie dadurch oft zerstört interessiert niemanden. Es ist nicht die Logik die regiert. Auch nicht das Wissen oder das Gefühl. Was es sonst noch gibt, müsst ihr selbst herausfinden. Wenn ich den Satz vollende, ist er fertig. Ich setze einen Punkt hin und lasse ihn fallen. Er wird liegen bleiben und sich nie mehr bewegen.

Die Augen werden geblendet. Scheinwerfer der Forschung. Die Strahlen explodieren in den Gedanken. Tausende Farben legen sich über meinen Körper. Sie nisten sich ein und lasse es zu. Es ist der Moment der zählt. Ich schließe die Augen.

Es hat sich so ergeben. Man kann die Zukunft nicht vorhersagen. Es sind Erwartungen und Hoffnungen, die aus Erfahrungen und Wünschen resultieren. Ich habe oft die Möglichkeit in die Gedanken der anderen einzutauchen. Ein riesiger Pool an Information, die man nicht katalogisieren kann. Es gibt keine Worte dafür und dennoch verpacken wir es so gut es geht. Wir verstecken uns vor Dingen, von denen wir glauben, dass wir sie nicht ändern können. Noch ist es nicht vorbei. Das Leben. Du hast noch dreißig Minuten. Kein Telefon, kein Internet, niemand in Reichweite. Beginnst du zu rennen? Gibst du auf? Freust du dich? Viertausendachthundertelf Schritte.

Morgenstunden

Ich sitze alleine auf einem Stuhl. Stille. Der Raum ist vollkommen leer. Eine kleine Lampe auf der einen Seite. Keine Fenster. Keine Türe. Stille. Wenn ich schreie, wer hört mich dann?

Ein neuer Tag. Ich bin aufgestanden, habe den Computer angeschalten. Rührei mit Basilikum und Tomaten. Als ich sie in kleine Stücke schneide sehe ich den roten Saft von meinen Fingern tropfen. Tomaten. Ich denke, ich könnte auf sie verzichten. Man kann auf viele Dinge verzichten. Man muss es nur wollen. Ich verzichte, wenn ich etwas anderes will.

Das piepsen des Computers reißt mich aus meinen Gedanken. Ich nehme das Teller und setze mich an den Schreibtisch. Während ich esse, klicke ich mich durch den Feedreader. So viel Unsinn. Tag für Tag produzieren millionen Menschen Unsinn. Ich mag unsinnige Dinge. Doch diese sind leider nicht von der Sorte, die ich mag. Leute regen sich über etwas auf und bezeichnen sich deshalb als kritisch. Sie sind negativ. Nicht kritisch. Manche Blogs lasse ich ungelesen. Für die will ich mehr Zeit. Ich will es genießen. Die Worte einfangen und wirken lassen.

Ein Glas Milch. Ich stelle mir vor, wie ich gerade aussehe. In Boxershorts durch die Wohnung tappsend mit einem Milchbart und dem leeren Glas. Ich schiebe ein paar Kleidungsstücke zur Seite, die ich gestern einfach fallen habe lassen. Keine Lust ordentlich zu sein. Den Polster zurecht klopfen und die Decke sauber drauf legen. Wieder zum Computer. Ob ich noch etwas schreiben soll. Dann muss ich nur mittendrin abbrechen und der Text liest sich holprig. Lieber ein bisschen durch die Netzwerke klicken. Schauen was es neues gibt.

Musik anschalten. Mein Leben. Wohin ich gehe leuchtet etwas. Ich tippe schnell ein paar Nachrichten. Geburtstagswünsche. Weil das halt dort stand. Dass du Geburtstag hast. Alles Gute. Morgen lösche ich dich. Es tut mir nicht Leid, aber du musst dir auch keine Gedanken machen. Es gibt noch genug andere da draußen. Die füllen ihre Listen gerne mit netten Gesichtern. Ich stehe mehr auf Worte.

Drei Karten stehen auf dem Fensterbrett. Zwei von Personen, die ich nicht kenne. Ich erinnere mich, dass ich mich für eine noch bedanken will. Viel zu spät. Die andere erinnert mich an Sonne und Strand. Philosophierend am Meer sitzen und den Sonnenuntergang genießen. Die andere an Weihnachten. Manchmal will ich aussteigen. Aber es hält mich zuviel zurück. Die Zeiten, wo ich frei von Ballast war sind vorbei. Es ist zugleich gut und schwer. Verantwortung. Ich übernehme sie gerne. Sie schränkt mich ein.

Einen Block und einen Stift. Mehr brauch ich nicht. Der Rest ist irgendwo da oben drin. Oder im Internet. Ich habe schon wieder nicht schlafen können. Zu viele Gedanken die mich zerdrücken. Ein Wunsch. Vielleicht bin ich abhängig.

Ich schließe das Fenster, schlüpfe in den Mantel und verschwinde.

Augenblicke

Die Schritte verhallen in der langen Säulenhalle. Stumm steh ich da. Wer ich bin? Das muss ich noch entscheiden. Auf jeden Fall nicht was ich vor ein paar Jahren dachte.

Stunden zuvor war der Raum zum bersten voll. Künstler, Politiker und Adabeis. Immer wieder habe ich mich gefragt, was ich hier machen. Gekünstelt lächle ich sie an. Tausche ein paar Worte. Hat mich sehr gefreut. Vielleicht sieht man sich das nächste Mal wieder, melden sie sich doch bei mir. Damit ich nicht kommen kann. Frau Rot, ich bin entzückt, was machen sie denn hier. Mit den Kindern alles in Ordnung? Nein wir kennen uns nicht, aber das Kinderbuch in ihrer Tasche sieht nicht nach einem Geschenk aus. Wie geht es ihnen? Mir geht es gut. Nach all dem Stress wieder ein bisschen Zeit für mich. Ach, ihnen gefällt was ich mache. Das freut mich mich. Nein, in den nächsten Wochen habe ich keine Zeit. Schreiben sie mir doch eine Mail. Ach, das macht ihr Assistent für sie? Haben sie denn von gar nichts eine Ahnung? Presse sind sie also. Ein Foto. Nein, heute habe ich keine Lust dazu. Auch nicht für die Titelseite, nein. Ihr Archiv quillt sicherlich über damit. Merkt ja doch niemand von wann es ist. Ein paar Fragen beantworten? Das mache ich schon den ganzen Abend. Ich freue mich über das zahlreiche Erscheinen und es ist ein gelungener Abend. Wenn sie nun so nett wären und einfach verschwinden würden. Sie auch hier. Das hätte ich nicht erwartet. Und nicht gewollt. Sie glauben nicht, dass es so weitergehen kann? Ich auch nicht. Am besten gesellen sie sich zu den Leuten da drüben. Ich hole mir noch etwas zu trinken. Das neue In-Getränk. Ich habe einen trockenen Mund, stehe kurz davor sie niederzuschlagen und sie fragen mich, ob das in Ordnung ist? Geben sie einfach her und hauen sie ab. Sie können also nichts dafür. Es ist ja nicht schlecht gelaufen. Alle sind glücklich. Machen sie die Augen auf. Sehen sie was vor ihnen steht. Können sie mir in die Augen schauen. Auch wenn meine Schuhe interessant erscheinen. Ein grüner Stern statt schwarzem Leder. Und Krawatte habe ich auch keine an. Sie können sich sicherlich vorstellen wie egal mir das ist. Nicht? Vielleicht sollte ich ihnen meine Hand in den Magen rammen. Vielleicht fühlen sie dann etwas. Frau Rot kennen sie auch? Das ist toll. Dann können sie gleich nach ihr schauen. Ich glaube sie ist am Klo und übergibt sich. Grüßen sie auch ihre Gemahlin von mir. Traut sich wohl nicht mehr aus dem Haus. Ich kann es ihr nicht verübeln. Der Balkon ist wunderbar. Weißes Marmor. Aber nicht hoch genug. Das soll ich jetzt nicht machen? Ich darf mich nichts auf das Geländer legen und in den Himmel schauen. Dazu hätte ich nun Lust. Die kalte Nachtluft über meinen Körper streichen lassen. Einen Arm nach unten hängen lassen. Fühlen wie sich mein Brustkorb hebt und senkt. In der ferne die plätschernden Gespräche. Die Stille der Nacht. Lächelnd die Augen schließen und warten bis alles vorbei ist. Aber natürlich werde ich da bleiben. Ich unterhalte mich ganz hervorragend. Ja, sie sind begeistert. Nur leider nicht von mir, sondern von den Medien. Natürlich habe ich es gelesen. Sie wissen nicht einmal, was ich sagen will. Blind nehmen sie die Meinung an. Wenn sie auch nur eine Minute zuhören könnten. Wenn sie alle einmal ihre Fresse halten würden. Dann könnte ich ihnen erzählen worum es eigentlich geht. Warum ihr es nie verstehen werdet. Doch ihr ladet weiterhin euren geistigen Abfall ab. Ãœberschwemmt die Halle mit geistigem Oberflächlichkeiten. Kein Gedanke von euch selbst. In mundgerechten Stücken vorgekaut und nun könnt ihr es wieder heraufwürgen. Es herauskotzen. Wie Frau Rot am Klo. Wissen sie was es bedeutet, wenn ich den Kellner anremple und ihm das Tablett hinunterfällt. Glauben sie wirklich ich bin so tollpatschig? Haben sie nicht gesehen, wie ich meine Schulter nach vorne geschoben habe. Der arme Kerl hat mir in die Augen gesehen und es gewusst. Der einzige im ganzen Saal. Es schmerzte mich, als ich ihn mit voller Wucht traf. Ohne ein Wort der Entschuldigung gehe ich weiter. Ein paar Augen die mir hinterher blicken. Ich werde ihm einen Brief schreiben. Mich entschuldigen und bedanken. Dass er in mich geschaut hat. Verstanden hat. Zumindest für den Moment. Angetrunken schwinden die Ersten. Hat es auch gut geschmeckt? Das Buffet in Ordnung? Ich hoffe es, schließlich haben sie nichts bezahlt. Ich lebe von Luft und Liebe alleine. Das wissen sie doch. Darum geht es nicht. Schauen sie sich einmal um. Warum sind sie denn hier? Nicht wegen mir. Ihr seid verdammte Heuchler. Mit welch Genugtuung würde ich jeden einzelnen mit einem Fußtritt hinausbefördern. Verlogen und säuselnd. Ihr wisst es nicht? Nein. Ihr habt mir kein einziges Mal in die Augen geschaut. Ihr habt es nicht versucht. Ich könnte ihr Frau begrapschen und ihr würdet es nicht sehen. Wissen sie was das bedeutet? Ihr seid blind. Für das Leben. Es muss ein schreckliches Gefühl sein. Falls mich jemand braucht, ich bin am Balkon.

Der Mond ist immer da

„Solltest du nicht langsam schlafen? Die Sonne geht bald auf. Das ist nicht gut für dich.“

Ich schau aus dem Fenster. Die Ampel blinkt grün. Die ist hier die ganze Nacht an. Ansonsten ist alles ruhig. Langsam mache ich es auf. Kalte Luft strömt über meinen Körper. Ich nehme die Decke vom Bett und hülle mich ein. Tief einatmen.

„Siehst du den Mond? Ganz klein.“

Der Himmel ist in ein dunkles blaugrau getaucht. Wenige Sterne setzen Akzente.

„Nein. Ich sehe ihn nicht. Ich habe Angst, ihn nie wieder zu sehen. Das Gefühl nagt an mir. Treibt mich in den Wahnsinn.“

Zitternd lehne ich mich hinaus. Versuche ihn zu finden. Im gegenüberliegenden Haus geht ein Licht an. Wie fremd mir die Menschen hier sind. Nicht nur in der Nacht, wenn sie durch ihre Wohnung irren. Auch am Tag. Wenn ich ihnen auf de Straße begegne. Betrübte Gesichter, meist zum Boden blickend. Fast wie in einem schlechten Film, wo sie von einem bösen Herrscher unterdrückt werden und unglücklich sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass all die Menschen unglücklich sind. Ich verstehe aber auch nicht, warum sie dann so aussehen.

„Der Mond ist immer da. Auch wenn du ihn nicht siehst. Verstehst du das?“

Ich halte für einen Moment inne, ziehe die Decke enger um mich.

„Aber wenn ich etwas nicht sehe, kann ich nur glauben, dass es da ist. Ich weiß es nicht.“

Eine Träne rinnt über meine Wange und hinterlässt eine eiskalte Spur.

„Das ist Unsinn. Es ist sicher, dass der Mond immer da ist. Selbst wenn du ihn nicht siehst. Er verschwindet nicht einfach so. Wenn du einmal weißt, dass er da ist, ist er im nächsten Moment nicht verschwunden.“

Ich schaue wieder auf die Straße hinunter. Ein rotes Auto bleibt bei der Kreuzung stehen.

„Wenn das Auto vorne um die Ecke biegt, weißt du trotzdem dass es noch da ist, obwohl du es nicht mehr siehst.“

In meinen Gedanken sehe ich den Mond. Lächelnd schließe ich das Fenster.

Ausbruch

Sie steht vor mir, an die Wand gelehnt. Mich frech angrinsend. Ich muss lächeln. Kurz. Dann streckt sie ihre Hand aus, nimmt die meine und zieht mich an sich. Ich spüre ihren Atem. Sanft und gleichmäßig.

Mittags bin ich mit dem Zug angekommen. Erst wahllos durch die Stadt gegangen. Die Altstadt angeschaut, am Fluss entlang geschlendert, um mich dann auf eine Brücke zu setzen. Von irgendeinem berühmten Architekten. Metall und Holz, nur für Fußgänger. Eine Bank auf jeder Seite. Genau in der Mitte. Unter mir wälzen sich behäbig die Wassermassen durch. Tiefblau. Mein Blick schweift in die Ferne. Am Horizont verschwindet der winzige Strich. In meiner braunen Umhängetasche liegt ein Brot. Mit Mozzarella und Tomaten. Daneben eine Flasche Leitungswasser.

Gestern war ich noch am Boden zerstört. Das Leben sei unnötig. Mir sind die Lichtblicke ausgegangen. Natürlich musste ich es ins Internet schreiben. Selbstmitleid. Vielleicht hilft wenigstens das noch. Dann hab ich mich aufs Bett gelegt. Gewartet, dass sich meine Augen mit Wasser füllen. Es langsam über die Wangen rinnt und Flecken auf der Decke hinterlässt. Musik die jegliches Geräusch erstickt. Passend zu meiner Stimmung.

Dann piepste mein Handy. Bin ich im falschen Film? Mir geht es scheiße, ich will alleine sein. Ich will sterben. Alles egal. Ein Ort und ein Name. Alles nur ein Traum. So etwas passiert mir nicht. Das ist doch lächerlich. Da erlaubt sich jemand einen Spaß. Mit meinem Leben. Ich schwanke in die Küche. Grinse das große Messer an, halte meinen Kopf unter den kalten Wasserstrahl. Finde mich am Boden wieder. Sekunden oder Stunden. Es ist mitten in der Nacht. In ein paar Stunden geht die Sonne wieder auf. Duschen.

In meinem Zimmer sehe ich wieder das Handy auf dem Bett liegen. Ich stecke ein paar Sachen in meine Tasche. Mit dem Taxi zum Bahnhof. Der erste Zug fährt erst in einer Stunde. Warten.

Zweifel. Ich erinnere mich an eine Mail von einer guten Freundin. Manchmal muss man Regeln brechen. Das ist die Türe, ich muss sie nur aufstoßen. Egal, was mich dahinter erwartet. Meinen Träumen folgen oder vor den Alpträumen flüchten. Da ist es wieder. Mein Herz beginnt zu rasen.

Der Zug ist beinahe leer. Ein paar Geschäftsleute. Einer maletriert sein Notebook. Die anderen sind in irgendwelche Unterlagen vertieft. Ein junges Pärchen. Mir wird schlecht. Auf dem Weg zur Toilette falle ich. Alles verschwimmt. Der Schaffner hilft mir auf. Ob ich ärztliche Versorgung brauche? Nein, alles in Ordnung. Ich stolpere weiter. Die Toilette. Es stinkt. Mein Ãœbelgefühl verzieht sich. Ein leeres Abteil. Ich lasse mich in den Sitz fallen. Blicke aus dem Fenster. Häuser ziehen vorbei. Die Sonne steht schon auf Halbmast. Felder, Wiesen. Riesige Ebenen. Nicht mein Leben, nicht meine Welt?

Eine junge Dame setzt sich in mein Abteil. Sie sieht angespannt aus. Beobachtet mich aus dem Augenwinkel. Ich versuche mich etwas aufzurichten, bin nur noch halb auf dem Sitz gelegen. Kurz treffen sich unsere Blicke. Dann sieht sie zu Boden. Ich wieder aus dem Fenster. Ein See. Erinnerungen. Noch mehr. Ich schließe die Augen. Müdigkeit überkommt mich.

Ich bin wieder alleine im Abteil. Nur noch ein paar Minuten. Einfach sitzen bleiben. Weiterfahren bis zum Ende. Der Zug steht schon. Ich stehe auf, die Türen sind geschlossen. Notbremse? Ich rüttel an der Türe. Der Schaffner von zuvor. Er spricht etwas in sein Funkgerät. Die Tür öffnet. Ohne etwas zu sagen, steig ich aus. Er sieht mir kurz hinterher, dann fährt der Zug los.

24-Stunden Ticket. Irgendwas. Die Frau am Schalter starrt mich an. Ich lege einen Zehner hin, nehme das Ticket und geh weiter. In den ersten Bus steige ich ein. Zentrum steht oben.

Fluss der Gedanken

Endlich wieder einmal ein Ansturm von Flow. Ich kann das gar nicht so recht beschreiben. Die Worte sind da, bevor ich sie schreibe, aber nicht länger. Es ist das worum mich manche beneiden.

Meine Gedanken fliegen nicht mehr nur durch den Kopf, sondern direkt in die Finger. Es erinnert an nichts. Es ist einfach da. Bleibt für eine bestimmte Zeit. Meist bis zum Ende des Beitrags, manchmal länger. Dann muss ich noch einen anfangen um nicht durch zu drehen. Wenn die Gedanken erst einmal angefangen haben sich zu drehen, ist es schwierig sie zu kontrollieren, sie wieder runter zu holen von ihrem Trip. Drogen. Mit dem ist es vielleicht vergleichbar. Nur ohne den Nebenwirkungen. Nicht, dass ich viel Erfahrung damit hätte, aber ich muss zugeben, dass man unter Alkoholeinfluss manchmal ein ähnliches Gefühl hat. Jedoch sind die Zeilen, die ich dabei zu Papier bringe, nur bedingt gut.

Mit meinen eigenen Text bin ich sowieso nur selten zufrieden. Beispielsweise dieser hier. Dieser Metadialog oder wie auch immer man es nennen möchte. Er sagt nicht viel aus. Ja, er gibt einen Teil von mir preis. Aber er ist nicht unbedingt schön zu lesen. Er weckt keine Gefühle wach. Nehme ich zumindest einmal an. Er zeugt ein wenig von meiner Unfähigkeit mich derzeit auf eine Geschichte einzulassen.

Geschichten bedeuten für mich meist eine schwere Zeit. Entweder weil ich mich vollends in ihnen verliere, den Alltag vergesse und nicht mehr ganz richtig funktioniere oder weil sie mich einfach hinunterziehen. Die richtig schönen Geschichten, die mich auch selbst wieder auf ein anderes Gefühlsniveau heben, sind selten. Ich weiß nicht warum, aber es fällt mir leichter zu schreiben, wenn es mir schlecht geht, als wenn es mir gut geht. Manchmal schreibe ich auch eine gegenteilige Stimmung. Das verändert manchmal etwas, manchmal nicht. Ich könnte das genauer beobachten, aber es interessiert mich gar nicht.

Füllwörter, die beim normalen Sprechen gar nicht auffallen, stechen mir plötzlich ins Auge. Manchmal frage ich mich, ob meine Sprache durch das Schreiben besser geworden ist. Ich kann es mir vorstellen, aber möglicherweise ist es auch nur eine ganz normale Entwicklung, die sowieso stattgefunden hätte.