Kein Alptraum

Meine nackten Füße berühren das Gras. Glänzende Wassertropfen benetzen meine Haut. Ein sanfter Nebel bedeckt das Tal. Herumirrend und leicht. Ein Reh, das am Waldrand steht. Es sieht kurz auf, bewegt seinen Kopf in meine Richtung. Ignoriert mich und widmet sich erneut dem frischen Grün zu. Ich gehe weiter. Auf eine kleine Erhebung. Setze mich auf den Boden. Blicke um mich. Auf der einen Seite die endlose Weite, ein Bächlein, das sich bis zum Horizont schlängelt.

Ich erinnere mich an früher. Als ich mit meinem Vater hier war. Er hatte mir damals ein Wasserrad gebaut. Aus Holz, mit vier Platten. Speziell angeordnet, damit es je nach Drehrichtung mit wenig oder mit viel Wasser funktionierte. Ich habe den Bach aufgestaut und in einer engen Schlucht an Geschwindigkeit gewinnen lassen. Am Ende das Wasserrad. Die Endlosigkeit hatte mich fasziniert und tut es noch immer. Ständige Energie, die der Mensch zerstört. Die kleinen Steinchen, die ohne Unterbrechung im Bachbett aufgewirbelt und weitergetragen wurden. Die Blätter, die an mir vorbei schwammen und die endlosen Massen an Wasser. Dann bin ich zu meinem Vater. Er hatte Brote und Holundersaft mitgenommen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was wir gesprochen haben. Es ist nur noch ein warmes, angenehmes Gefühl da.

Die Sonne steht schon hoch am Himmel. Blau mit ein paar weißen Wölkchen und Strichen. Ein Flugzeug fügt einen neuen hinzu. Auf dem Weg in den Norden. In ihm entspannte Urlauber. Gedanken an den nächsten Arbeitstag, vollgestopfte Posteingänge und endlose To-Do-Listen. Ich lege mich auf den Rücken. Ein Hase schwebt über mit, setzt zum Sprung an und verwandelt sich in ein Gesicht. Ich schließe die Augen. Wärme durchdringt meine Haut. Vermischt sich mit meinen Nervenzellen und lässt mich etwas dösen. Das Reh schon längst verschwunden. Wieder im Wald, wo es auf den Abend wartet. Ebenfalls ein Nickerchen macht. Bis ein Jäger kommt und das natürliche Gleichgewicht wiederherstellt, welches er im letzten Winter gestört hat. Ein Regentropfen fällt auf meine Wange.

Manchmal passieren Dinge, die man nicht erwartet hat. Plötzlich sieht alles anders aus. Der Körper steht still, während der Kopf versucht zu arbeiten. Die Gedanken prasseln wie ein Gewitter auf einen ein. Überwältigt von der Menge und Wirkung jedes einzelnen, schafft man es nicht, sie zu sortieren. Ohne Ordnung trommeln sie weiter.

Der Wind zwingt mich gebückt zu gehen. Immer größere Tropfen rasen mir entgegen. Sie werden schneller. Treffen meine Augen, lassen meine Sicht verschwimmen. Ich beginne zu schreien, doch man hört mich nicht. Donnernd bricht der Wald zusammen. Grasbüschel werden aus dem Feld gerissen, aufgewirbelt. Der Bach, ein Fluss, der meine Füße erfasst. Ich spüre den Boden nicht mehr. Stolpere, werde mitgerissen.

Ich weiß, dass nach dem Regen Sonne folgt. Doch ich weiß nicht wie lang es regnet. Ich weiß nicht, ob der Sturm bleibende Schäden verursacht. Ich weiß nicht, was ich darin verlieren werde.

Als ich das Ende sehe, spüre ich ihre Hand. Sie hält mich fest. Gemeinsam werden wir mitgeschwemmt. Das Wasser zieht uns auseinander, doch wir lassen nicht los. Die Wolken sind verschwunden, der Fluss wieder ein Bach. Sogar das Reh steht an seinem Platz. Wir sitzen aneinandergelehnt auf dem kleinen Hügel. Wie ein Traum. Doch unsere Kleidung ist durchnässt. Mein Körper ist erfüllt von Wärme. Es tut gut, sie an meiner Seite zu fühlen.

Ich hab keine Saufgeschichten.

Jeder hat Saufgeschichten. Muss er ja nicht selbst erlebt haben. Reicht schon, wenn man ein paar Freunde hat. Und die hat man immer. Außer man lebt in einem Land, wo der Alkohol einfach zu teuer ist. Aber auch dann gibt es Saufgeschichten. Sind zwar eigentlich Drogengeschichten, aber kann man ruhig zusammenzählen. Dass du keine Saufgeschicte hast, stimmt auch nicht. Ich erinnere mich an zwei. Und über beide hast du schon geschrieben. Die Party ohne Party und Ende sowie die Dorfjugend. Beides Mal hast du gesoffen. Einmal einfach so und das andere Mal um etwas zu beweisen. Dass hier ist auch eine Saufgeschichte. Schließlich geht es um Alkohol.

Mit Saufgeschichten habe ich jetzt mehr gemeint, dass ich zu viel getrunken habe und dann etwas dummes, vielleicht auch für andere lustiges gemacht habe. Zuviel getrunken. Ja, das ist mir passiert. Ist aber schon wieder ein paar Jährchen her. Habe auch schon unter Alkoholeinfluss geschrieben. Was das war, muss ich aber jetzt nicht breittreten. Klingt sowieso schon die Hälfte so. Zum Psychiater oder zumindest einem Therapeuten wollten sie mich auch schon schicken. Wäre vielleicht gar keine schlechte Entscheidung gewesen. Aber dann würde ich ja dort alles aufarbeiten und könnte nichts mehr schreiben. Oder ich würde nur noch von Lebkuchen und Herbstspaziergängen schreiben. Nicht, dass das etwas schlechtes wäre, aber der Rest ist auch interessant. Da kann man dann auch etwas Unsinn in einem Text verpacken. Muss ja nicht immer alls hochperfekt sein. Ruhig einmal drauf los schreiben und schauen, was dabei rauskommt. Am besten noch ein paar multiple Persönlichke

Du wolltest noch was vom Alkohol erzählen. Deinem heimlichen Wunsch. Wie du die Dinge ertränkst und so. Kann man ja zugeben. Muss man sich auch nicht schämen. Außer man ist Politiker. Die dürfen sowas nicht. Was ich ja auch sinnlos finde. Sind ja auch nur Menschen. Nicht so klug, wie sie sein sollten und viel zu verklemmt, aber Menschen. Ich denk das ist auch der Grund, warum sie so viel Kritik bekommen. Weil sie sich in die verdammte Rolle reindrücken lassen. Wie die meisten Leute auf der Strasse. Einfach mal die Sau raus lassen. Reicht ja schon, wenn man Dinge, macht die die anderen nicht von einem erwarten.

Ich habe keine Sauffantasien. Es gab mal eine Zeit, wo ich mir überlegte zu trinken. Viel zu trinken. Aber daraus ist nichts geworden. Bin ich heute auch recht froh darüber. Ist immer noch ein schwieriges Thema. Problem der Geselsschaft. Ich frage mich, ob es mal eine andere Droge gibt, die sich so gut verbreitet. Zigaretten werden sie ja in den nächsten Jahren abschaffen. Finde ich auch gut. Ist im Endeffekt aber egal. Die Abscheu gegen Zigaretten ist anerzogen. Das riecht schlecht. Das ist eklig. Das macht dich kaputt. Der letzte Satz hat den Reiz von den Dingen ausgemacht. Irgendwie machen alle ihren Körper kaputt. Die einen mit übertriebenen Sport, ich mit wenig Schlaf. Wenn der Kopf nicht mehr klar denkt. Dann noch einen Text schreiben. Musik im Hintergrund. Von der Müdigkeit benebelt. Eigentlich geht es nur um das in Schwung kommen. Wenn man einmal im Flow ist, dann ist der Rest egal. Dann kann man wach oder müde sein. Drogen oder keine. Spielt keine Rolle. Man muss nur in den Flow kommen.

Es geht um Saufgeschichten.

Nicht wirklich.

Lebenswandel

Einsamkeit. Ich vermisse das Gefühl nicht. Viele Nächte, die ich damit verbracht habe, an mir selbst zu nagen. Versucht in andere Welten zu Flüchten. Wo es wärmer ist. Wo ich gemeinsam bin. Mit Menschen, die zu mir stehen, bei mir sind. Reden und feiern. Keine Minute, die ich alleine sein muss. Freunde. Die immer bei mir sind. Doch wenn ich meine Augen öffnete, verschlang mich die Dunkelheit. Unter der Decke verkrichen. In der Ecke kauernd. Ganz weit weg, von der großen Leere, die es sich in meinem Zimmer gemütlich gemacht hatte. Ich fror, zog die Decke enger, umklammerte meine Füße. Verdammt, lasst mich nicht alleine. Ich wusste nicht einmal, wer mich nicht alleine lassen sollte. Es gab Freunde, die waren auch für mich da, wenn ich sie brauchte. Doch nicht, wenn ich sie nicht brauchte.

Die Kleidung ist im Zimmer verstreut. In einem Möbelhaus wartet ein Kasten darauf, dass ich ihn finde. Keine Vorhänge, die die Straßenlaterne davon abhalten mein Zimmer zu erhellen. Auf meinem Füßen der Laptop. Sanft surrend. Ich weiß, dass da jemand ist, der an mich denkt. Der in seinem Bett liegt und mich fühlt. Keine Entfernung kann uns davon abhalten unsere Gedanken zu teilen. Ganz nah bei dir. Das Zimmer ist modern eingerichtet. Ein niedriges Bett, eine orange Couch. Viel Glas und Metall. Unter dem Fenster steht das Mountainbike. Ein Klappstuhl aus Leder. Aus den Lautsprechern kommt Hamburger Schule. Mir gefällt wie ich lebe und zugleich weiß ich, dass ich am nächsten Tag meine Koffer packen könnte ohne etwas zu vermissen. Ich bin noch nicht sesshaft.

Mit traurigem Blick geh ich durch die Straßen. Schau von unten den Leuten in den Augen. Erhoffe mir einen Funken Aufmerksamkeit. Bitte beachtet mich. Den Blick wieder zu Boden. Langsam durch die Massen schlängelnd und niemanden berühren. In der U-Bahn starre ich auf meine Schuhe. Ausgetretene Converse. Ich beobachte die Menschen. Immer wieder, kurz. Ausweichend. Die Hände tief in den Taschen vergraben. Die Mütze bis über die Augenbraun. Ich denke über das Leben nach. Was ich hier mache, wer ich bin und wie es weitergeht. Warte darauf, dass mir jemand den Weg zeigt. Mich an der Hand nimmt und in die Zukunft führt. Doch niemand kommt.

In meinen Ohren Musik. Die Haare wippen beim gehen. Hängen tief ins Gesicht. Ich lache. Fast springend gehe ich zur Straßenbahn. Schaue den Leuten in die Augen, wenn sie an mir vorbeihuschen. Sie sehen mich nicht. Wollen nicht. Manchmal mache ich die Augen zu. Blindflug. Ich habe jemanden gefunden, der mir einen kleinen Schubs gibt, damit ich selbst in die Zukunft gehe. An meiner Seite Menschen, die mir Kraft geben. Die mich ein Stück begleiten. Oder auch länger. Ein paar von früher. Ich sauge das Leben auf, genieße den Moment. Sehe zurück. Manchmal frage ich mich, ob ich früher mein heutiges Ich verabscheut hätte. Glücklicher. An meinen Füßen noch immer die Converse und die Frage nach dem Morgen und dem ich.

Grundmusik

Das ist Musik. Ich blicke auf die Bühne. Die Sängerin kenne ich schon länger. Den Manager seit heute. Ein netter Kerl. Vielleicht nicht so professionell, wie man sich das bei der Band vorstellt. UK und Amerika Tour. Ein netter Kerl. Wir scherzen etwas. Ich erzähle vom Internet. Den Möglichkeiten, die man dort hat. Dass dort das Publikum sitzt und man es nur abholen muss. Er will, dass ich eine CD kaufe. Ich lache. Auf dem Display steht Fabulous. Jemand hat die Liveübertragung kommentiert. Ich freue mich. Blicke auf die Bühne. Zur Sängerin. Lächle.

Früher wollte ich immer der Unterschätzte sein. Mächtiger als die anderen, aber niemand sollte es wissen. Ich könnte tun und lassen, was ich will, müsste damit auch nicht angeben. Nur meine engsten Freunde, nicht mehr als drei, wüssten wirklich Bescheid. Ich würde in jedem Club in den VIP-Bereich spazieren. Niemand wüsste warum. Aber die Türsteher waren informiert. Untastbar. Ich wüsste was Sache ist. In meinem Telefonbuch, die Privatnummern aller wichtigen Leute. Sie kannten mich. Ihre Untergegbenen und Fans nicht. Mal kurz den Präsidenten anrufen. Nur manchmal, wenn jemand die Frau an meiner Seite anmachen würde, mich ignorierend, dann würde ich mit voller Wucht zuhauen. Einfach mal Eindruck schinden. Jemanden aufkreuzen lassen. Den Laden schließen. Eindruck schinden. Etwas vollkommen unerwartetes machen. Kindheitsträume.

Die Augen geschlossen. Crisis. Das ist Musik. Wie auch immer ihre Zukunft aussieht. Das Zusammenspiel aus Takt und Klang wird eine Rolle spielen. Manche Momente sollten nie aufhören. Begleitet vom Keyboard, nur ihre Stimme. Weich und traurig. Ausgekoppelt aus dem Leben. Mittendrin. Auch wenn die Band nur eine Station ist. Beeindruckend. Das klatschen saugt mich zurück. Ich sitze wieder auf meinem Platz. In meiner Hand das Handy. Ich sehe ihre Augen. Wieder lächeln. Es sollte nicht um mich gehen. Sondern um sie. Nicht nur Musik, sondern auch Sprache. Sie weiß sich auszudrücken. Auf eine ganz besondere Art.

Heute suche ich die Aufmerksamkeit. Ich schreie den Leuten die Meinung ins Gesicht, drücke ihnen meinen Namen in die Hand. Sie stehen vor einer Fassade, die ich sorgfältig gestrichen habe. Mehr als nur Farbe. Dahinter eine solide Mauer. Darauf kann man bauen. Glauben schenken. Auch wenn es nur eine Mauer ist. Was sie beschützt spielt in dem Moment keine Rolle. Manche bekommen eine Leiter, andere haben sie schon. Damit können sie über die Mauer schauen. Ein bisschen von dem entdecken, das dahinterliegt. Verletzlich und unendlich. Der Großteil unter einem Schleier aus Nebel. Ich suche mir die Leute mit Besonderheiten aus. Leute, die mir ähnlich sind. Wo ich mich wohlfühle. Sie alle haben eine einzigartige Geschichte. Wie jeder Mensch, doch jeden will ich nicht um mich haben. Nur ein paar. Ein paar, wo ich mehr fühle. Auch der Rest ist nett, aber nett reicht nicht. Meine Zeit ist endlich.

Mein Fuß wippt im Takt der Musik. Das Schlagzeug gibt ihn vor. Gitarre und Bass. Dazu die Stimme, wegen der ich hier bin. Das ist Musik.

Schreibzug

Weiß blinkt der Strich am Bildschirm, wartet darauf, dass ich etwas eingebe. Ich kann mich nicht entscheiden. Zwischen all den Worten, die durch meinen Kopf fliegen. Geschichten, lose Gedanken, Ideen, Wünsche und Träume. Was kann ich, was will ich schreiben. Noch immer wartet der Strich. Blinkend. Ich beginne zu tippen, doch nichts kommt heraus. Eine Aufzählung von Dingen, die ich schreiben könnte. Kein konkreter Text. Bloß Worte. Ordnen. Wieder ordnen. Immer wieder. Ein geiles Leben. Die Reise. Die Nacht. Der Tag. Ein Weg. Hoffnung und Erinnerung. Erinnerung und Hoffnung. Wir sprechen. Winternacht. Sommertraum. Ein Moment. Die Verwandlung. Geträumt. Verloren. Gewonnen. Butterkuchen.

Bleib nicht stehen.

Immer schneller rasen die Finger über die Tasten. Um nichts zu sagen. Um nicht still zu stehen. Es die Tätigkeit selbst die befreit. Ich atme. Schreibe. Lebe. So wie es mir gefällt. Tag für Tag. Ständig kommen neue Ideen dazu. Ständig in Entwicklung. Und ich weiß, es tut mir gut. Es ist nicht einfach Zeit zu finden, weil man sie sich ab einem gewissen Punkt nehmen muss. Man kann, man muss entscheiden, was einem wichtig ist und kann nicht immer darauf hoffen, dass es andere machen. Andere können es nicht. Nie. Und wenn sie es noch so gut meinen, können sie nicht, wissen, was im innersten von jemanden wohnt. Es gibt Dinge, die man nicht preisgibt und die einen doch bewegen. Jeder Mensch ist anders, selbst, wenn wir uns ähnlich verhalten. Wenn wir miteinander reden können und glauben uns zu verstehen. Oft tun wir es auch. Wir bleiben dennoch verschieden.

Nimm dir Zeit.

Der Zug fährt weiter. Meine Gedanken werden nie ankommen. Wer stehen bleibt, verliert. Wer zu schnell handelt, verliert. Wer zu langsam handelt auch. Es gibt nicht immer eine goldene Mitte, aber oft und diese gilt es zu finden. Wir haben alle eine andere und können uns nicht an allgemein gültige Regeln halten, weil alles Einschränkungen und Ausnahmen hat. Ein Stück Schokolade. Zart schmilzt es auf meiner Zunge. Erinnerungen, die es weckt. Ein Blick auf die Verpackung. Dreißig Prozent. Mindestens. Ich lächle. Weiter. Weiter. Immer weiter. Noch einen Moment verharren. Abwarten. Den Richtigen Weg gehen, um sich dann spontan umzuentscheiden. Es tut gut zu wissen, dass nichts endgültig ist und keine Möglichkeit zweimal kommt. Weniges macht man, vieles kann man. Es kommt wieder oder auch nicht. Verändert. Ich muss nicht jede ergreifen, doch wenn ich keine nehme, werde ich am Ende noch am Anfang stehen. Alle Möglichkeiten offen, aber nicht mehr die Kraft eine zu ergreifen. Nicht mehr die Zeit eine bis zum Ende durchzuziehen.

Entscheide selbst.

130km/h. Draußen hat sich die Dunkelheit über das Land gelegt. Schon lange schafft sie es nicht mehr sich durchzusetzen. Millionen von Lichtern, die sich ihr entgegenstellen und sie verdrängen. Wo immer Menschen sind, wir sie angegriffen. Weil wir wissen wollen, wo wir hingehen. Doch wir können nicht in die Zukunft sehen. Wir können sie nicht verändern, weil sie noch nicht fest steht. Wir können probieren, dass nicht das eintritt, was wir vermuten, dass eintritt. Doch niemand kann sagen, ob es tatsächlich passiert wäre. Es hat wenig Sinn darüber zu diskutieren, ob es vorherbestimmt ist, ob es Zufälle gibt oder wir alleine dafür verantwortlich sind. Dennoch vertrete ich letzteres, weil ich mir damit selbst die Verantwortung auferlegen kann. Zugleich kann ich glauben, dass ich etwas daran ändern kann. Sollte es nicht so sein, habe ich viel Glück gegenüber jenen, die dies nicht glauben und daher auch nichts für ihre Zukunft tun.

Nimm es in deine Hand.

Abschied

Die Türe schließt sich.

Fünf Tage. Ich habe jeden einzelnen genossen. All die kleinen Momente und die großen Gefühle. So intensiv und so nah. Die Ankunft, ihre Augen, wie sie mich anstrahlen. Die erste Umarmung, Lippen die sich berühren. Ihr Duft, der in meine Nase steigt. Ich lasse meine Taschen fallen. Wir stehen da, halten uns fest, küssen uns. Die Welt um uns verschwindet. Nur wir zwei. Erst nach Minuten lösen wir uns voneinander. Ich nehme ihre Hand und wir gehen die Treppen hinunter. Dort steht schon das wartende Auto.

Ich sehe mich um, suche einen Platz.

Sie hat gekocht. Drei Gänge, italienisch angehaucht. Ein Genusserlebnis und sehr lecker im Mund. Immer wieder muss ich aufblicken, in ihre Augen schauen, sie anlächeln. Die Nachspeise werden wir am Sofa essen. Sie in meinem Arm. Himbeeren mit ein süßen Creme. Ich sollte mich zwicken, doch es ist kein Traum. Wunderbare Realität. Streiche über ihren Kopf, küsse sanft ihre Nase.

Als ich aus dem Fenster sehe, fährt der Zug schon los. Ich hebe die Hand um zu winken.

Wir schlafen gemeinsam ein, wachen gemeinsam auf. Kochen zusammen, gehen einkaufen, hören Radio. Nebeneinander sitzen wir am Schreibtisch. Vor uns zwei Laptops. Immer wieder sehen wir uns an. Ein kleiner Kuss. Ein langer Kuss. Ein Lächeln. Als ich mir den kleinen Zeh anhaue, verarztet sie mich. Ich decke sie zu. Wenn ich nachts aufwache, streiche ich kurz über ihre Schulter, lächle und schlafe wieder ein. Beim Zähneputzen albern wir rum. Im Bus hält sie meine Hand.

Sie steht mit Tränen in den Augen am Bahnsteig.

Ich setze mich hin und will mein Ticket aus der Tasche holen. Da kommt mir eine Briefkarte entgegen. Sie ist von ihr. Liebevolle Worte. Ich weine nicht. Schließe die Augen und lächle. Poch, poch macht das Herz.

Nachtflug

Die Sitze schauen angenehm aus. Gut gepolstert.

Hannover. Wir steigen aus dem Flieger aus. Kommen gerade aus Paris. Es ist kurz nach Mitternacht. Die Gänge entlang zur Gepäckausgabe. Ich war noch nie in Hannover. Das schwarze Band zieht einsam seine Runde. Die anderen Fluggäste beginnen sich aufzuregen. Erst nur untereinander. Sie sprechen davon, dass sie endlich nach Hause wollen, was so lang dauert, wenn man das Gepäck aus dem Flieger auf das Förderband bringt, ein Wagen der von Punkt A nach Punkt B fährt und fertig. Uns kümmert es wenig. Jetzt wird auf den Mitarbeiter eingesprochen. Was denn da so lange dauert. Dass die Familie schon wartet. Dass man am nächsten Tag in die Arbeit muss und sie sich gefälligst beeilen wollen. Meine Gedanken sind noch beim Flug. Wie wir eine Kurve über Paris gedreht haben. Unter uns tausende Lichter. Ein großartiger Anblick. Dann ging es weiter. Immer höher. Die Lichter wurden kleiner, doch wir hatten Glück. Eine klare Nacht. Man konnte riesige Teile Europas sehen. Wie ein Satellitenbild, nur viel besser. Echter. König der Lüfte. Ich bin müde, doch zu fasziniert um zu schlafen. Die kleinen Orte und die großen Städte. Autobahnen, die auf geraden Linien die großen Punkte verbinden. Hin und wieder eine kleine Wolke, die die Sicht verdeckt. Ich würde gerne tiefer fliegen. Noch einmal die einzelnen Nachbarschaften sehen, wie kurz nach Paris. Man sieht die einzelnen Straßenlaternen, Autos die noch fahren. Und höher. So hoch, dass man den ganzen Kontinent sieht. Nur noch ein Netz aus Lichtern. Doch das wird nicht passieren. Das ist nicht passiert. Wir stehen in Hannover am Gepäckband.

Lass uns noch etwas kaufen, bevor sie zumachen.

Es ist kurz nach drei. Kurz habe ich geschlafen. Jetzt treibt mich die Neugier durch den Flughafen. Nachdem wir einen Kleinigkeit gegessen haben, konnten wir eine Gruppe beobachten, die nach Mallorca flog. Eine Frauenrunde. Und vor dem Abflug gab es Sekt. Alles ist still. Die Geschäfte haben die Beleuchtung noch angeschalten. Außer uns sind noch ein paar Reisende, die es sich auf den Sitzbänken gemütlich gemacht haben. Eine ältere Dame, die meinen mitreisenden Freund an ihrer Geschichte teilhaben ließ, während er schlafen wollte. Sie würde jetzt nach Amerika fliegen. Zu einem Mann, den sie über das Internet kennen gelernt hat. Ob sie sich keine Sorgen machen würde, was das für ein Mensch wäre. Nein, sie haben ja schon miteinander telefoniert. Und Fotos haben sie auch ausgetauscht. Bei der Beschreibung ihrer Kleidung auf den Fotos habe ich dann dezent weggehört und versucht zu schlafen. Später wurde mir dann mitgeteilt, dass sie danach noch einige Stunden von ihrer Tochter und deren unmöglichen Freund sowie anderen Problemen erzählt hätte. Aber sie fliegt jetzt nach Amerika. Ich gehe wieder in die Haupthalle. In der Mitte stehen einige Terminals unserer Fluglinie. Ich schaue welche Flüge wir noch nehmen könnten. Stockholm. Rom. Irgendwas in Griechenland.

Zum Glück musste sie dann zu ihrem Flieger.

Das Terminal ist ans Internet angeschlossen. Also muss ich damit auch auf meinen Blog kommen. Ich klicke herum. Komme auf das Reiseportal, der Fluglinie. Dort schalten sie Werbung. Ein Frachtunternehmen. Dort geht es nicht weiter. Zurück. Reiseinformationen. Reisewarnungen des Bundesministeriums. Von dort komme ich zu den Länderseiten. Ich klicke mich durch. Berlin. Treffer. Es ist ein Yahoo-Suchfeld eingebunden. Von dort geht es zu Google und schon steht mir das Web offen. Zuerst auf den Blog. Vielleicht gibt es neue Kommentare. Mails lieber nicht abrufen. Ich weiß nicht wie die Usereingaben mitgeloggt werden. Ein paar andere Blogs lesen. Als ich fertig bin zeige ich noch einem anderen Reisenenden, wie man das Terminal verwenden kann.

Du bist schon in einer gewissen Abhängigkeitsverhältnis.

Mein Freund ist gerade die Rolltreppe rauf gekommen. Die Frage, ob er noch etwas schlafen konnte, verneint er. Wir reden über die vergangenen Tage. Unsere Zukunft. Wir haben große Pläne, hohe Ziele und die Entschlossenheit sie zu erreichen. Ähnlich, aber in verschiedenen Bereichen. Vor nicht einmal einem Monat haben wir eine Liste erstellt. Wo sehen wir den die verschiedenen Bekannten in fünf bis zehn Jahren. Sie liegt in einem Schrank bei mir zu hause. Ich bin gespannt, wie bei wem wir richtig gelegen sind und bei wem nicht. Selbsterfüllende Prophezeiungen. In ein paar Stunden geht unser Flieger.

Nebelkleid

Ich sitze am Strand. Hinter mir die weiße Felsküste, vor mir das Meer und in der ferne die Küste Frankreichs. Die Sonne scheint kalt auf meine nackten Beine. Ich halte sie ins Wasser. Nicht sicher, wie lange ich schon da sitze. Einen Stein weiter liegt das Notizbuch. Der Stift in meiner Hand. Ich habe Muster auf meine Hose gemalt. Kleine Vögel die Richtung Knie fliegen und es kaum erwarten können von dort ins Meer zu springen. Linien ohne tieferer Bedeutung. Sie sind einfach da. Sterne. Die Nacht, ein schwarzer Fleck. Zum Frühstück gab es Bohnen. Ich vermisse das Wasser. Das aus den Alpen. Hier schmeckt es leer. Lau. Die Luft ist wieder salzig. Wie auch mein Körper. Ich will nicht aufstehen, nicht sitzen bleiben. Für einen Moment einfach verschwinden. Übrig bleibt nur ein Block auf einem Felsen. Bis ihn irgendwann der Wind hinunterschmeißt. Die Seiten vom Wasser durchnässt werden, die Striche verschmieren, der Einband sich auslöst und niemand wird sich daran erinnern, was darin geschrieben war. Tausende Wörter, die sich in Nichts auflösen. Wörter, die eine Geschichte erzählen. Eine von vielen. Wenn sie nicht gelesen wurde, wird sie auch nicht vermisst werden. Sie hat keinen Kopf in dem sie weiterleben kann.

Rationalität ist eine Erfindung von nicht rationalen Lebewesen.

Zwei Wochen sollen alles ändern. Eine neue Umgebung, um meine Gedanken zu ordnen. Die Hoffnung, dass sich Dinge ohne dem eigenen Zutun ändern können. Andere sollen sich darum kümmern. Leute, die mich nicht im Weg haben wollen und lieber versuchen es alleine zu schaffen. Meine Zukunft regeln. Sie haben nicht beachtet, dass es mir egal ist, was sie daraus machen. Ich habe noch immer meinen eigenen Kopf. Der Kopf, der mich zum verzweifeln bringt und den ich nicht tauschen möchte. Der Kopf, der in andere schauen kann. Wie in die beleuchteten Zimmer eines Hauses. Nur ein Ausschnitt. Einer, den man von innen nicht hat. Nicht haben kann. Der Kopf, der mich ständig mit neuen Ideen versorgt. Der Kopf, der ich bin.

Objektivität ist eine subjektive Meinung.

Ohne Rücksicht werfe ich meine Dinge in den Koffer. Zwei Wochen. Ich schaue nicht nach, ob ich etwas vergessen habe. Die Treppe runter. Den Schlüssel auf den Tisch. Gezahlt habe ich schon bei der Ankunft. Es sei nicht gewöhnlich, aber natürlich kein Problem. Auf der Suche nach Ruhe. Die Möglichkeit des sofortigen Aufbruchs offen halten. Ich bin nicht hier um mich zu entspannen. Die nächtlichen Spaziergänge haben gut getan. Eine andere Umgebung. Der Sonnenaufgang im Nebel. Eine Welt, die im rot versinkt. Nur wenig Kontakt mit anderen Menschen. Viel allein sein. Viel nachdenken. Ab dem fünften Tag tausende von Wörtern, die es in mein Notizbuch geschafft haben. Nur eine Seite, die ich wieder herausgerissen habe. Sorgfältig gefaltet und in den Müll geworfen. Es gibt Grenzen. In meinem Kopf und in meiner Hand. Manchmal überschreite ich sie. Es ist kurz nach zehn. Die Straßen leer. Bis auf das schwarze Taxi. Es wird mich zum Flughafen bringen.

Weil ich es kann.

Das Gras federt meine Schritte. Die Sonne ist wieder hinter einer Wolke verschwunden. Ich blicke zurück. Sehe den Rand der Klippe. In der Ferne die Küste Frankreichs. Auf einem Felsen liegt ein Notizbuch und ich bin schon längst verschwunden.

Wolkenschauer

Guinness mochte ich noch nie. Weder die Farbe noch den Geschmack. Früher trank ich noch öfters Cider. Apfelwein. Strongbow war die Marke, die wir in der kleinen Stadt bekamen. Ich bestelle Tee. Mit Milch. Neben mir das kleine Notizbuch, der Stift steckt in der Lasche. Ich ziehe ihn heraus, spiele damit herum. Klopfe damit auf den Tisch und stecke beides wieder weg. Mein Tee ist da. Ich leere die Milch hinein, beobachte, wie er sich langsam verfärbt, die Muster die sich bilden und wieder verschwinden, bis es nur noch eine gleichfarbige Flüssigkeit ist. Der Kellner schaut mich immer wieder an. Sie haben nicht oft Fremde in dieser Gegend. Die Touristen, die kommen, kennen sie schon aus dem Vorjahr. Abschalten kann man gut in diesem Dorf. Jedenfalls kann ich mir das für Leute vorstellen, die viel Ruhe brauchen. Mir tut es nicht schlecht, aber schon der erste Tag hat gereicht. Großartig war es der Küste entlang zu gehen, sich auf die Felsen zu setzen und einmal keine Menschen um sich zu haben. Das Gras beobachten, wie es vom Wind getrieben Muster bildet. Die weißen Wellen und die grauen Wolken. Gute Luft. Ich hasse das Gefühl von Salz auf der Haut. Fühle mich unrein, habe das Bedürfnis zu duschen. Wenn ich mich abgetrocknet habe, schlüpfe ich in frische Kleidung, genieße für ein paar Sekunden das Gefühl und lebe weiter.

Niemand wirft dir vor etwas falsch gemacht zu haben, du solltest dir nur Urlaub nehmen.

Abwarten. Tee trinken. Eine Gruppe Jugendlicher kommt in den Pub. Ich sitze in einer Ecke, schräg hinter der Bar. Sie sehen gut gelaunt aus. Lachen. Der Kellner will keinen Ausweis sehen. Es ist ihm egal, wie alt sie sind. Kontrollen gibt es hier nicht und die Eltern erfahren es sowieso vom Wirt. Sie bestellen Guinness. Ich nippe an meinem Tee. Er ist bitter. Die Milch gibt ihm ein sanftes Aroma. Mir ist er zu heiß. Weiterwarten. Wie sich die Menschen hier unterscheiden von meinem normalen Umfeld. Internet wird noch als Fremdwort gesehen. Am Abend sitzen die Familien gemeinsam vor dem Fernseher und warten gespannt auf die Nachrichten. Ich spaziere dann gerne durch den Ort und blicke durch die Fenster in fremde Welten. Noch habe ich es geschafft mein Handy nicht anzurühren. Es liegt ausgeschalten auf dem Schreibtisch. Jeden morgen glänzt es mich an. Möchte gehalten und berührt werden. Einen Knopf drücken, ein bisschen über den Bildschirm streichen. Erfahren was da draußen passiert. Ein paar Mails lesen. Ich könnte Fotos machen und sie hochladen. Nein. Ich gebe mich der Abgeschnittenheit des Dorfes hin. Wenn ich etwas brauche fahre ich mit dem Bus in die nächstgelegene Stadt. Eine dreiviertel Stunde. Einkaufen gehen. Vielleicht ein Magazin kaufen. Durch die Fußgängerzone schlendern. Ein bisschen Hektik schnuppern. Einkaufszentren. Morgen. Oder übermorgen. Vielleicht gar nicht. Noch einen Schluck Tee.

Wir stehen alle hinter dir.

Nur die Hauptstraße ist beleuchtet. Die kleinen Gassen geben sich der Finsternis hin. Ich gehe ohne zu sehen. Dunkelheit die die Häuser erfasst. Bis sich die Augen an das schwache Licht des Mondes gewöhnt haben. Vor der Küste dreht ein Leuchtturm seinen Lichtkegel. Ein Flugzeug blinkt am Himmel. Mir ist kalt. Und immer das Rauschen des Meeres. Die Hand in der Tasche umfasst den Block, spürt den Stift. Langsam streiche ich über den rauen Einband. Er umgibt all die weißen Seiten und fühlt sich an, als hätte er so etwas schon oft gemacht. Geübt im Umgang mit Blättern. Geduldig wartet er bis sie sich mit Buchstaben füllen und ihm dann entrissen werden. Nie wieder wird er mit ihnen verbunden sein. Ich stolpere. Kopfsteinpflaster. Der Mond ist nur noch eine dünne Sichel. In wenigen Tagen werde ich nichts mehr sehen, wenn ich vom Pub zur Pension gehe. Vielleicht kaufe ich mir eine Taschenlampe, um nicht ganz allein zu sein. Die soll mir dann zeigen, dass es auch ohne Hilfe von außen geht. Einfach auf den kleinen Knopf drücken und schon erhellt sich die Welt.

Du musst es als Möglichkeit sehen.

Das Bettzeug ist rau. Rau und kalt. Ich ziehe es bis unter das Kinn. Auf keinen Fall die Nase verdecken. Der Luftstrom darf nicht abgelenkt werden. Auch nicht außerhalb des Körpers. Dann kann ich nicht mehr schlafen. Fühle mich unwohl. Muss die Decke wieder richten. Eng um mich geschlungen. Es ist Herbst. Das Klima hier ist mild. Auch im Winter. Schnee gibt es nur selten. Liegen geblieben ist er in den letzten zehn Jahren nur einmal. Doch damals für den ganzen Winter. Mein Kopf beginnt wieder englisch zu denken. Das passiert immer, wenn ich mich länger mit jemanden unterhalte. Die Wörter werden nicht mehr umgewandelt, sondern direkt verarbeitet und dafür muss die Systemsprache umgestellt werden. Der Code muss geändert werden. Wenn ich dann alleine bin, muss ich mich erst wieder daran gewöhnen auf deutsch zu denken. Schreiben. Mein englisch ist schrecklich. Ich werde verstanden, aber auch nur weil man es aus dem Zusammenhang erkennt. Inzwischen ist es mir egal. Sie wissen es schon und machen sich nichts daraus. Sie akzeptieren.

Energie tanken für den Durchbruch.

Vom donnern wache ich auf. Ich zittere. Im Kasten liegt eine zweite Decke, doch ich will mich nicht der Kälte auf den Weg dorthin stellen. Die Beine eng an den Körper gezogen, die Arme verschränkt. Durch das Fenster sehe ich die Blitze. Faszinierende Ereignisse. So viel Energie, die in einem Sekundenbruchteil verbraucht wird. Für Licht und Ton. Verästelte Linien aus brennender Helligkeit. Ich stehe auf, die Decke um die Schultern gewickelt. Auf dem Rückweg bleibe ich am Fenster stehen. Ein Blitz nach dem anderen rast auf die Erde. Zersplitterndes Holz.

Regentropfen

Ein kalter Wind lässt mich die Hände tiefer in den Taschn vergraben. Vor mir das Meer. Steinküste. Irgendwo in Südengland.

Mach mal Urlaub, raus aus diesem grauem Alltag.

Die Wolken ziehen behäbig vorbei. Unaufhörlich rollt sich das Wasser zusammen, zerplatzt spritzend an den Steinen und verwandelt sich in Schaum bevor es wieder hinuntertaucht. Ich gehe ein paar Schritte nach vorne, blicke hinunter. Ein paar grüne Büschel, die sich in der weißen Mauer aus Stein halten. Sie drücken sie auseinander, bis sie irgendwann hinunterfallen. Halt gibt es keinen. Mit dem linken Fuß schubse ich einen Stein über den Abgrund. Langsam fällt er, schlägt mehrmals auf und versinkt im Meer. Ohne Spuren. In der Ferne fährt ein Schiff vorbei. Hinterlässt einen weißen Streifen, der schon bald wieder verschwunden ist. Minuten später wird man seine Wellen messen können. Ich drehe mich um.

Versuch etwas neues. Fahr nach England.

Die Türe der Pension lässt sich nur schwer öffnen. Schwer, alt und träge. Niemand der sie pflegt, den Rahmen anpasst oder die Schanierer schmiert. An der Rezeption sitzt niemnand. Nur zwischen zehn und zwölf, sowie sechzehn und achtzehn Uhr. Ich drücke die niedrige Schwingtüre zur Seite und nehme meinen Schlüssel. Zimmer 12. Direkt unterm Dach. Am Vortag hat mir die Besitzerin erklärt, was man hier alles machen kann. Die größte Freiluftminieisenbahn bewundern, an den wunderschönen Steilküsten spazieren, Minigolf oder noch besser Cricket spielen, der lokalen Rugbymannschaft beim trainieren zusehen, am Wochenende sei sogar ein Match, gegen den Nachbarsort, dort gäbe es auch ganz leckeren Fisch. Sie könne mir auch ein Auto besorgen, falls ich wohin fahren wolle. Der Bus hält nur drei Mal am Tag. Und heute Abend wird die Ratifizierung der fünften französischen Verfassung gefeiert. Ich müsse wissen, dass der Ort ein Partnerdorf in Frankreich hätte.

Dort kommst du auf andere Gedanken.

Die Stufen knarzen, als ich vorsichtig hinaufsteige. Der dritte Stock. Am Ende des Ganges ein kleines, rundes Fenster. Dahinter sieht man die Dächer der umliegenden Häuser. Davor ein kleiner Tisch mit vertrockneten Blumen darauf. Mein Magen knurrt. Der eiserne Schlüssel öffnet die Türe mit einem lauten Klack. Im Zimmer steht ein kleines Bett, ein Stuhl und ein Schreibtisch. Der Kasten ist in die Wand eingelassen. Am Boden steht noch mein offener Koffer. Der kleine schwarze. Drei Garnituren. Mehr wollte ich nicht mitnehmen. Plane nicht zu einer Veranstaltung zu gehen und wenn mir kalt ist habe ich den schweren Mantel mit. Der Teppich ist dunkelbraun mit einem verworrenen Muster aus blau und rot. Ich spüre das rauhe Holz durch meine Socken. Dann setze ich mich an den Schreibtisch. Vor mir das Fenster zum Meer.

Vielleicht kommst du dann wieder zum schreiben.

Eine Möwe segelt über die Küste und verschwindet im grau. Zwei Wochen. Meine Gedanken ziehen sich zusammen und setzen sich in die kleine Ecke. Gleich neben den großen bunten Karton. Ich schließe die Augen, höre das sanfte Rauschen. Meine Hände streichen über den alten Holztisch. Er ist glatt und kühl. Weißes Papier. Ich atme tief ein und beginne zu schreiben.