Einzelkämpfer

Während die Musik verstummt und die Gestalten gehen, stehe ich noch auf der Bühne. Niemand hat mich je gesehen. Die kleinen Augen in der Dunkelheit. Beschienen vom blauen Licht eines Displays. Ich fühle mich nicht einsam, sondern mächtig. Kann nicht sehen, kann nicht greifen, nur noch steuern ohne zu bewegen.

In einer Welt, die von Bullshit regiert wird, laufen wir durch die Gassen. Unbemerkt steigen wir auf die Häuser, lassen den Wind durch die Haare wehen und warten, dass uns die Kälte langsam zerfrisst. Das Gefühl, wenn sich jedes Härchen einzeln aufstellt, versucht uns zu schützen und wir den Mantel ausziehen. Es hält uns am Leben. Ein Schritt und wir gehen unter, doch wir tun ihn nicht. Wollen nicht. Nur das Wissen, dass wir könnten. Stundenlang auf einer Bank sitzen und die Welt beobachten. Wie die Menschen an uns vorüber ziehen oder die Vögel an unseren Schuhen ziehen. Ich rüttle ständig an meinem Weltbild, versuche es ins Wanken zu bringen, um umzuwerfen, in der Hoffnung, dass da mehr ist. Ich ertrinke in meiner Arroganz, während sie anderen nur bis zu den Knöcheln gehen würde. Das Leben ist eine Aneinanderreihung von Erlebnissen und nur man selbst kann darüber entscheiden, wie man sie empfindet. Wir lassen uns nicht fallen ohne an den Aufprall zu denken. Wir machen aus Schmerz ein Erlebnis und aus einem Erlebnis Schmerz. Es geht nicht darum Gewalt anzuwenden, nicht darum andere zu ignorieren, doch es ist unsere Welt und wir können tun und lassen was wir wollen. Das Ende wartet ums nächste Eck und wir sind nicht darauf vorbereitet. Dem Tod in die Augen sehen und unkontrolliert darüber lachen. Der Wahnsinn, der auf unserer Schulter sitzt. Ich streichle ihm über die Flügel und schicke ihn los. Beginne zu rennen. Wege sind eine Erfindung der Menschen und es gilt sie zu ignorieren. Eine Gesellschaft sollte nicht funktionieren, weil sich viele an die Regeln von wenigen halten, sondern weil man andere Menschen toleriert. Jeder braucht seinen Freiraum, der ständig im Konflikt mit dem von anderen steht. Grenzen sind keine Linien, sondern Überschneidungen. Der Reiz sie zu übertreten und neue Welten zu entdecken.

Eintreten in neue Strukturen, neue Kreise. Der Aufstieg, der mich reizt. Ich habe Angst zu versagen, aber brauche das Gefühl. Vom eigenartigen Neuling zum kuriosen Helden.

Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung. Unerlässliche Mittel der Orientierung um zu bestehen, wenn man sich nicht mehr darauf verlässt, dass die Dinge funktionieren, wie sich viele wünschen, dass sie funktionieren. Wie sie sagen, dass sie funktionieren. Gedanken eines Verrückten, der sich nur Minuten zuvor über andere gewundert hat. Panische Angst, wenn man es nicht schafft, wenn man die Linien nicht sieht, sie sich auflösen und ständig neu zusammenfinden. Wenn es kein Ziel gibt, kann man es auch nicht umgehen.

Ich schaue mir tief in die Augen, werfe mir das eiskalte Wasser ins Gesicht und warte darauf, dass ich aufwache. Flüchte in fremde Welten, um in diese zurück zu kehren. Die eigenen Worte verenden an der Wand und ich warte auf eine Antwort. Der Wechsel der Sprache, um Worte zu nutzen, deren Bedeutung loser ist, als die fixe Manifestation in der eigenen. Träume, die als schillerndes Etwas in die Höhe fliegen, um zu zerplatzen und in einem Meer aus Glitzer zu Boden zu gehen, wo nur ein paar dunkle Flecken über bleiben. Mit der Zeit werden sie ganz verschwinden und Platz für neue geben.

Es gibt keine Realität. Nur die, die wir uns selbst schaffen. Die Regeln, die die Gesellschaft verinnerlicht hat, um miteinander auszukommen. Jeder Ausbruch wird als ein Untergang gesehen. Angst vor Veränderung und dem Zerstören so lange aufgebauten. Aus den Schultern von Giganten. Kein Bereich ist sicher und kein Wissen endgültig. Jedes Stück Information nur ein loses Ding, das sich seinen Weg durch das Nichts bahnt. Ich warte, schüttle mich und erwarte die nächste Ladung Wasser. Wir sind noch immer in einem Badezimmer einer Person, die ich nicht kenne, nach bisherigen Regeln als Fremde bezeichnen müsste. Dennoch bin ich hier, sehe mich um und streiche über den Türgriff, meine Augen geweitet und neue Erfahrungen erwartend. Das Ende wartet um das nächste Eck. Doch es wird nicht final sein. Nur eine Welt durch die nächste ablösen. Das Leben auf vielen Ebenen und das verlieren auf allen von ihnen. Vielfalt ist nur solange Sicherheit, solange sie nicht im selben System sind. Ein Schritt nach dem anderen, in der Küche einen großen Schluck nehmen ohne etwas zu erwarten. Die Überraschung nicht enttäuscht zu werden.

Ich stehe, warte, hoffe.

Kann nicht aufhören zu laufen. Bis man zusammenbricht und auf der Wiese liegt. Kleine Wolken steigen empor. Wie Rauchschwaden aus einer Zwergenfabrik. Ich schließe die Augen, um nur noch zu fühlen. Jeder Nerv sendet Information, Chaos das sich durch das Gehirn bohrt. Langsam legt sich der Atem. Entspannung macht sich breit. Die Hand schwebt über die Grashalme, berührt sie sanft und reißt sie aus. Der Geruch von Erde, Leben, Sein. Minutenland liegen bleiben. Die Augen öffnen und in den Himmel schauen. Wie die Wolken behäbig vorüberziehen.

Nur ein Schritt.

Der Geschmack von frischen Obst, nachdem es gepflückt hat. Sehnsucht nach Kindheit, Natürlichkeit, Ursprung. Von Werbung zerfledderte Begriffe und ein Text, der unstrukturierte nicht sein könnte. Aussagen, die sich selbst widersprechen und kein Versuch der Erklärung. Gedanken sammeln und hinausschleudern. Ein Prozess, der kein Ende und keinen Anfang hat.

Ich bleibe. Kommt ihr mit?

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3 Kommentare

  1. Und ich fühle mich nicht mächtig – sondern einsam…

    Sehr schöner, poetischer Text.
    Und sehr nachvollziehbar.

  2. Ein beeindruckender Text in beeindruckender Sprache. Ganz im Sinne von „einen Eindruck hinterlassen“. Einen bleibenden Eindruck zu dem ich gern mitkomme.

  3. Du schreibst sehr abstrakt. Aber das ist gut so. Es lässt deinen Leser auf eine Reise gehen. Eine Reise in die Tiefe. Er kann sich fallen lassen. Nicht an den Aufprall, das Ende denkend, die Visionen und Ideen vor Augen. Zeitweilig ist es schwer dir zu folgen. Aber das ist des Lesers Problem, nicht das deinige. Ich lese mich in dich hinein. Kann vieles nachvollziehen. Fühle mich dir nahe. Ja dableibend komme ich mit. Respekt!

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