Du solltest schreiben

Ich lächle ihn an. Oft genug habe ich versucht zu erklären, dass ich glaube nicht schreiben zu können. Jedenfalls nicht gut genug um mehr daraus zu machen. Ich genieße es nach einem anstrengend Tag mein Schreibprogramm zu öffnen, der Bildschirm wird schwarz, nur noch ein kleiner weißer Strich wartet darauf, dass ich beginne die Tasten zu berühren. Klickediklickklick, swush. Meine Augen schließen sich. Ich schreibe einfach weiter. Hin und wieder öffne ich sie um zu sehen, ob sich Vertipper eingeschlichen haben. Ich lese die letzten Sätze durch, bessere Fehler aus, schreibe einzelne Wörter um. Es passiert mit einer Selbstverständlichkeit, die ich in meinem restlichen Leben manchmal vermisse. Ich bin niemanden verpflichtet, nur mir selbst. Die Worte dürfen schockieren, sie dürfen voller Emotion sein und laut hinausschreien. Manchmal auch flüstern, kryptomanisch unverständlich über das Display laufend. Links unten ist ein Zähler, grau in grau. Er zeigt mir an wie viele Wörter ich schon geschrieben habe, wie viele Seiten und Zeichen. Rechts unten die Uhr. Oft denke ich mir, dass ich keine Zeit zum schreiben habe. Mein Bauch sagt mir, dass ich dazu in der richtigen Stimmung sein muss, dass ich Zeit brauche um hineinzukommen und ich nicht unter Druck schreiben sollte. Es stimmt und stimmt auch nicht. Oft reicht eine halbe Stunde und wenn es zwei werden ist es auch egal. Selten fällt diese Zeit ins Gewicht. Zwei, dreimal pro Woche ein paar Minuten für eine Sache zu investieren, die mich die restliche Zeit am Leben erhält, die mir die Kraft und die Ruhe gibt, die nötig ist um durch den Alltag zu kommen. Ich schließe wieder die Augen, sehe die Bilder vor mir und alles was ich machen muss, ist sie zu beschreiben. Was ich sehe und fühle in Worte verpacken, um sie auf die Reise zu schicken. Dass sie von jemand anders wieder in Bilder und Gefühle verwandelt werden können. Auch wenn niemand fühlen wird, was ich fühle, mag ich die Vorstellung. Mir unbekannte und bekannte Menschen, die vor ihren Computern sitzen, oder mit dem Handy in der Straßenbahn. Sie sehen die Wörter, die ich getippt habe, sehen was sehe, fühlen was ich fühle. Manchmal schreiben sie mir einen Kommentar, manchmal eine E-Mail und selten einen Brief. Sie verlinken meine Texte, fügen mich ihrer Blogroll hinzu, erzählen ihren Freunden von mir. Großartige Momente, die ich nicht missen wollte, auch wenn es nur Beiwerk ist.

Er wartet auf eine Antwort. Ich will kein Geld für meine Texte verlangen. Ich mag Geld allgemein nicht, es erscheint mir jedoch notwendig, um in dieser Welt zu leben und es vereinfacht viele Dinge. „Du kannst einen Spendenbutton einbauen.“ Das könnte ich. Vielleicht mache ich es irgendwann, doch es liegt mir nicht um Spenden zu bitten. Im Moment habe ich das Geld mir das Schreiben zu leisten. Er meint, dass er auch nicht nur meinen Blog gemeint hat. Ich könnte für Magazine schreiben, für Zeitungen, vielleicht ein Buch. Verlegen blicke ich auf den Tisch. Die Gedanken sind in meinem Kopf Stammgäste. In den letzten Wochen kamen sie seltener, aber sie kamen. Ich möchte Freiheit haben beim schreiben. Was ich schreibe und wie ich es schreibe soll alleine meine Entscheidung sein. Ich habe bei mehreren Projekten mitgearbeitet, wo ich schreiben konnte. Jedoch eingepfercht in eine Struktur, in ein Korsett aus Vorgaben. Das ist nicht meine Welt, nicht im Moment. Es müsste ein besonderes Magazin sein, an Zeitungen glaube ich nicht. Schreiben um Geld zu verdienen ist weder mit meinem Kopf noch dem Bauch kompatibel. Ein Buch würde mich reizen, aber bisher hatte ich noch nicht das Verlangen eines zu schreiben. Die Texte sind kurz und nur selten in einem Stil, der auf gedruckten Papier überleben könnte. Sie gehören hierher. Falls einmal jemand anderer Meinung ist, kann er das ändern. Ich werde keine Energie dahingehend einsetzen.

Es ist ein Zweifeln an mir selbst. Ich habe Angst zu versagen und solange ich das Schreiben nicht mit Geld oder Zielen verbinde, kann ich nicht versagen. Es kann mir jemand schreiben, dass er schlecht findet, was ich schreibe, aber ich kann antworten, dass es gar nicht für ihn ist. Ich kann keine Leser haben und sagen, dass ich für mich selbst schreibe. Ich kann nicht versagen.

Er will nicht locker lassen, erzählt von anderen Leuten, die sich mit ihrem Blog selbständig gemacht haben. Zeigt kurz in den englischen Sprachraum. Ich muss grinsen und schüttle leicht den Kopf. Wien ist nicht New York. Ich schreibe über das Leben, über mich, über Dinge, die ich sehe. Nicht über Geld, nicht über das Web, nicht über Dinge, für die Menschen Geld ausgeben würden. Ginge es um Handies wäre es kein großes Problem durch Tests eine kleine Summe dazuzuverdienen. Würde ich Webdienste testen, könnte ich mit Empfehlung etwas verdienen. Aber auch ohne bestimmten Themen lässt sich Werbung verkaufen. Das möchte ich hier aber nicht. Ich will keine bunten Bilder in oder neben meinen Texten. Nicht aus Überzeugung, sondern weil es mir nicht gefällt und ich die Texte als solche mag. Davon abgesehen sind die Leserzahlen gar nicht hoch genug, um interessant für den Direktverkauf von Werbeplätzen zu sein. Blogger im deutschsprachigen Raum, verlassen sich nicht rein auf ihre Blogs. Sie nutzen den Blog um bekannt zu werden und dann verwandte Dinge zu machen. Sie haben bezahlte Texte, was mich hier nicht interessiert. Sie sind Selbstdarsteller. Ich möchte aber meine Texte darstellen, nicht mich.

Traurig blickt er mich an. „In dir steckt so viel Potential. Viele Menschen, inklusive mir, wären froh, wenn sie so schreiben könnten. Ich will nur nicht, dass du es vergeudest.“ Das Gegenteil ist der Fall. Es mag sein, dass ich nicht so viel schreibe, wie ich könnte, dass ich es nicht zu Geld mache, auch wenn es möglich wäre, dass meine Arbeit nur am Rande mit schreiben zu tun hat, aber eine Sache darf man nie vergessen. Ich schreibe. Ich schreibe und millionen Menschen haben die Möglichkeit meine Texte zu kopieren, verschicken, weiterschreiben, kommentieren, verlinken oder einfach zu lesen.

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