Dreiunddreißig

Von außen könnte man meinen, ich sei angekommen. Ein Kind, verheiratet, Job in Technik und Verwaltung der Uni. Stabilität.

In mir rast es. Die Gedanken. Unaufhörlich. Zweifel. Ist es das was ich will? Was will ich eigentlich? Wer bin ich? Ich bin vor zehn Jahren umhergeirrt und tue es heute noch. Finde meinen Platz nicht. Es geht mir gut. An manchen Tagen bin ich zufrieden.

W. sagt, ich soll mir ein Hobby zulegen. Vielleicht etwas mit Elektronik, das ich mit dem Kind machen kann. Derzeit interessiert es sich für ferngesteuerte Autos. Ich stelle es mir schön vor. Das werde ich probieren.
Ich arbeite Vollzeit. Daneben studiere ich. Daneben unterrichte ich. Daneben bin ich selbständig. Daneben entwickle und vermarkte ich mein Produkt. Daneben halte ich Vorträge. Daneben unterstütze ich den Ortsverband einer Partei. Heute habe ich mit einem Freund gesprochen, was ich machen würde, wenn Geld keine Rolle spielen würde. Meiner Neugierde folgen. Über die letzten Jahre hat sich herausgestellt, dass es weder ein bestimmtes Thema, noch eine bestimmte Art des Arbeitens ist, die ich bevorzuge. Es sind Dinge, die meine Neugier wecken und ich kann nicht mehr loslassen bis ich ihnen auf den Grund gegangen bin. Dieser Neugier folgen können ohne ständig eine Liste von Aufgaben im Hinterkopf zu haben; Das ist mein Traum. Manche Erkenntnisse kann man zu Geld machen. Aber ich möchte mich gar nicht damit beschäftigen. Ich möchte Spuren folgen und teilen, was ich herausfinde. Weder verkaufen, noch um Spenden bitten. Aber das funktioniert in unserer derzeitigen Welt nicht. Meine unterschiedlichen Tätigkeiten geben mir zumindest ein großes Feld, auf dem ich meiner Neugierde folgen kann. Und es gibt mir die Sicherheit. Selbst wenn einzelne Dinge wegfallen, muss ich mir keine Sorgen machen. Zugleich belastet es mich, dass ich alles miteinander ausbalancieren muss und ich mich nicht auf eine Sache fokussieren kann. Ich laufe in drei Richtungen und trage das Fahrrad auf dem Rücken. Nur für den Fall.

Zeit mit W. macht mich glücklich. Essen auch. Wenn ich eine komplizierte Aufgabe gelöst habe. Wertschätzung anderer Menschen. Jemanden helfen können.

In den letzten Monaten habe ich mich damit auseinandergesetzt, dass ich wahrscheinlich Autist bin. Viele meiner Eigenschaften, von denen ich bisher ausging, dass sie alle Menschen haben oder sie halt eine Eigenheit von mir sind, lassen sich damit erklären. Meine Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen. Die Schmerzen, die bestimmte Geräusche und Berührungen auslösen. Vergesslichkeit. Nicht zu wissen, wie ich mich fühle. Gereiztheit, wenn ich gestört werde, während ich mich intensiv mit etwas beschäftige. Alles zu planen. Soziale Situationen vorbereiten indem ich mir vorab überlege, wie ich auf unterschiedliche Dinge reagiere. Faszination für Details und das Erkennen von Mustern. Mein Selbstdiagnose-Dokument ist inzwischen dreißig Seiten lang. Und irgendwann finde ich die Energie, mich um eine offizielle Diagnose zu kümmern.

Mit jedem Wort werde ich ruhiger. Die Gedanken hören auf zu springen. Es tut gut, sie zu ordnen, aus dem Kopf zu lassen. Eingegossen in Pixel können sie nicht mehr rasen und mich damit stressen.

Es geht mir gut. Ich werde weiter umherirren. Manche Dinge werden sich ändern, manche werde ich ändern. Zeit mit W. und dem Kind. Gutes Essen. Etwas Bewegung und Texte schreiben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert