Ankunft

Meine Augen glitzern als ich aussteige. Ãœberwältigt von den Erinnerungen die mich mit diesem Ort verbinden. Eine Stadt, in der ich noch nie war.

Kurz innen halten. Tief einatmen. Die Welt bleibt stehen. Erst als sich der Zug hinter mir wieder in Bewegung setzt, öffne ich die Augen wieder. Die Sonne blendet mich. Wärmende Strahlen streichen über mein Gesicht.

Ich überlege, ob ich mir eine Karte kaufen soll. Im Internet habe ich mir kurz die Grundstruktur angeschaut. Ungefähr weiß ich, wo was liegt. Keine Karte. Losgehen. Ins Blaue. Vorbei an den Shops, die mir Geheimtipps versprechen, den besten Kaffee der Stadt und eine unvergessliche Rundgang. Danke, nein. Ich will alleine sein. Keine kreischenden Kinder und maulenden Senioren. Niemand kann mir diesen Tag verderben. Diesen einen Tag, auf den ich so lange gewartet habe. Beinahe nicht mehr geglaubt, dass er kommen würde. Jetzt ist er da. Ich habe mich in den Zug gesetzt. Mitten in der Nacht. Konnte keine Sekunde schlafen. Nun bin ich da. Meinen Träume warten schon auf mich. Sie sind vor Monaten angekommen.

Vor dem Bahnhof ein großer Platz. Ich kaufe mir bei dem Ticketautomat eine Tageskarte. Will mir nicht ständig Gedanken machen, ob ich lieber gehe oder fahre, ob ich darf oder nicht, wie weit und überhaupt. Dafür habe ich keine Zeit. Nicht heute. Nicht in diesem Moment. Die Straßenbahn ist leer. Nur ein älter Herr sitzt ganz vorne und sieht aus dem Fenster. Ich gehe bis zum Ende durch. Setze mich nieder und strecke die Füße von mir. Meine Hand greift zu meiner Brusttasche, spürt das kleine Notizbuch und den Stift. Ein paar Worte niederschreiben. Einige Gedanken. Nein. Einfach fühlen. Heute muss ich nicht teilen. Der Tag wird nicht so schnell aus dem Kopf verschwinden. Nicht dieser.

In den Kurven quietschen die Räder. Die Sitze sind aus Holz. Glatt poliert mit einer dicken Lackschicht. Vorbei an alten Häusern. Riesige Glasfassaden. Alt und neu. Kontraste. Eine Wolke verdeckt die Sonne. Ich stelle mir vor, wie es ist durch den Regen zu laufen. Die Menschen anlächeln, wie sie sich unter ihren Schirmen verstecken, sich in die Hauseingänge quetschen und in Geschäfte flüchten. Und dann kommt die Sonne wieder. Ein kleiner Regenbogen, den sie nicht sehen, weil sie ständig auf den Boden schauen. Nur ein kleines Mädchen, das von Lacke zu Lacke hüpft, die Hose bereits bis zu den Knien nass, bleibt stehen und schaut den Regenbogen an. Sie zieht am Ärmel ihrer Mutter, zeigt nach oben. Doch die Mutter sieht es nicht. Sie telefoniert mit einer Freundin. Ãœber den letzten Abend. Das Mädchen entdeckt mich und wir lächeln uns kurz an. Dann hüpft sie weiter. Eine rote Mütze hat sie an. So gar nicht zum restlichen Gewand passend. Der Mutter wäre es lieber, wenn sie statt der Mütze einen ach so putzigen Schirm nehmen würde. Doch das Mädchen lasst sich nicht dreinreden. Ich muss weiter, meine Gedanken bleiben noch kurz bei ihr. Sie erinnert mich an jemanden. An den Grund meiner Reise.

Als ich aussteige ist die Wolke wieder verschwunden. Strahlend blauer Himmel. Ich setze mich an den Brunnen und beobachte das Wassert wie es über die Steinstatuen plätschert. Ein Relikt aus längst vergangener Zeit. Vor Jahren hat sich ein alter Professor damit beschäftigt. Er hat geforscht aus welcher Zeit der Brunnen stammt, wer ihn beauftragt hat. Das steht nun auf der silbern glänzenden Tafel am Brunnenrand. Dass der Professor herausgefunden hat, was die rundlichen Vertiefungen an den Armen der Statuen bedeuten, weiß niemand. Der Text in dem er über die Beziehung zwischen dem Brunnenbauer und der Tochter des Auftraggebers geschrieben hat, wurde nie veröffentlicht. Manchmal kommt der Professor zu dem Brunnen, setzt sich in einem bestimmten Winkel zur Sonne und beobachtet die Formen, die das Wasser erzeugt. Als ich gehe blicke ich zu dem Mann mit weißen Haaren, der mir gegenüber saß und mich die ganze Zeit über angeschaut hat.

Ich sitze auf einer Bank mitten auf einer Fußgängerbrücke und esse ein Brot mit Mozzarella und Tomatenscheiben.

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3 Kommentare

  1. das ist schön. klingt immer so ausgelascht, aber das ist es wirklich. als ich den text gelesen habe, musste ich an irmgard keun und ihr kunstseidenes mädchen denken.
    mir hat das buch wirklich gut gefallen und ich kann es nur empfehlen. wenn du mal zufällig in eine buchhandlung stolperst und dir diese buch entgegen fällt, lies doch mal rein. möglicherweise findest du auch gefallen daran.
    vlt. kannst

  2. ich hasse es wenn mein laptop nicht macht, was ich möchte. ignoriert die letzte wortgruppe einfach.

  3. Mein Regal füllt sich zwar schon mit ungelesenen Büchern, aber noch eines kann nicht schaden. Danke für den Tipp.

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